Taizé: Einfach Leben | Teil 01
Weil Gott uns liebt

Jugendliche beim Gebet in der Kirche von Taizé. | Foto: Communauté

Die Fastenzeit, die vierzig Tage der Vorbereitung auf Ostern, verbinden viele mit den Begriffen Sünde, Buße und Askese, mit einer Geisteshaltung, die leicht in eine Vorstellung von Gott als strengem Richter abrutscht, der unseren geringsten Fehltritten auflauert. Das macht es umso nötiger, unser Nachdenken mit dem Herzstück des christlichen Glaubens zu beginnen. Frère Roger bringt es in Anlehnung an einen syrischen Christen des 7. Jahrhunderts mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Gott kann uns nur lieben.“

Wie überraschend das auch scheinen mag: Alles, was Gott an uns tut, ist Ausdruck seiner Liebe und sonst nichts. Diese Liebe drückt Gott zuerst einmal dadurch aus, dass er uns sucht. Man versteht die Religion oft als ein Tun des Menschen auf der Suche nach Gott: Gott bewege sich nicht, während wir versuchen, mit unseren Frömmigkeitsübungen, durch Gebet, Fasten, gute Werke usw. ihm näher zu kommen. Die biblische Offenbarung stellt diese Sichtweise auf den Kopf. In der Bibel ist es Gott, der uns unablässig nachstellt, um sein Leben mit uns zu teilen, damit wir durch den Heiligen Geist in Gemeinschaft mit ihm leben. Erinnern wir uns daran, dass eines der ersten Bilder von Gott, auf das wir in der Bibel stoßen, Gott zeigt, wie er in einem Garten spaziert und spricht: „Adam, wo bist du?“

Die christliche Frömmigkeit ist kein Versuch, sich bei Gott beliebt zu machen. Gott sieht von sich selbst aus mit unendlicher Zuneigung und mit tiefem Erbarmen auf uns. An uns ist es, an seine Liebe zu glauben und sie anzunehmen. Das mag leicht aussehen, ist es aber meistens in Wirklichkeit doch nicht. Denn wir haben oft das dumpfe Gefühl, dem, was wir sein müssen, nicht ganz zu genügen, und projizieren nicht selten dieses Gefühl auf Gott. Die Überzeugung, dass Gott mit uns nicht zufrieden sei, wird dann zum Haupthindernis für Gemeinschaft mit ihm. Aber wenn wir es wagen, uns ihm zu öffnen, merken wir wie der verlorene Sohn im Gleichnis ganz erstaunt, dass Gott nur einen Wunsch hat, nämlich uns bei sich aufzunehmen, und nur ein Gefühl, nämlich die Freude des Wiedersehens. Die Fastenzeit ist eine wunderbare Gelegenheit, wieder neu ein glücklicher Mensch zu werden, der weiß, dass er geliebt ist und dass ihm das Verzeihen immer gilt.

Frère John

ZUR PERSON – FRÈRE JOHN
Der Autor dieses Beitrages Frère John wurde 1950 in Philadelphia (USA) geboren.
Er trat 1974 in die Communauté von Taizé ein. Hier hilft er jungen Erwachsenen, die an den internationalen Treffen teilnehmen, die Bibel als Quelle, die ihrem Leben Sinn gibt, zu lesen. In den 80er Jahren lebte Frère John mit einer kleinen Gruppe von Brüdern in Hell’s Kitchen (West Side of Manhattan – New York). Er unternimmt Reisen in die USA und nach Italien zu Treffen und Einkehrtagen für junge Erwachsene.
Frère John ist Autor von sieben Büchern zu biblischen Themen, die Teil der Treffen in Taizé sind. Seine Bücher sind in insgesamt zwölf Sprachen übersetzt.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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