Gerecht leben - Fleisch fasten. 2013 | Teil 01
Viel Fleisch bei uns – viel Hunger in der Welt!

Lokalaugenschein in Mato Grosso im Landesinneren, dort wo der Regenwald seit Jahrzehnten besonders intensiv gerodet wird: Ein – für regionale Verhältnisse – „mittelgroßer“ Farmer bewirtschaftet mit seiner Familie und einem Fixangestellten rund 15.000 Hektar. Im Wirtschaftsgebäude verweist er stolz auf seine High-Tech-Trockenanlage und einen Fuhrpark mit dem Größten und Feinsten vom Feinen der globalen Landmaschinenproduktion. Zu Erntezeiten reicht auch das alles nicht aus. Dann werden 30 zusätzliche Arbeiter gebraucht, um sein Soja mit sieben bis acht weiteren kurzfristig gemieteten LKW rund 2600 Kilometer in den Hafen von Santos – in Europa eher als die fußballerische Heimat von Pelé bekannt – zu transportieren.

Die Besitzverhältnisse dieser Farmen sind nicht immer eindeutig, neben einem kleinen brasilianischen „Landadel“ sind es immer mehr eingewanderte Europäer, insbesondere Deutsche sowie Japaner, die sich hier eingekauft haben, weiß Caritasseelsorger Günther Zgubic, der viele Jahren in Brasilien tätig war. Die Lastwagenfahrer übernachten an Tankstellen und treffen hier nicht selten die Töchter anderer verarmter Familien, die der Prostitution nachgehen (müssen).

Klarer ist hier schon das Bild bei den indigenen Brasilianern und den Campesinos, den weitgehend recht- und landlosen Landarbeitern: Was nützt es, dass es in diesem dünn besiedelten und riesigen Land zwar ein staatlich verbrieftes Recht auf die Bewirtschaftung eines kleinen eigenen Grundstücks gibt? Ohne Perspektive, eine Familie in den heimatlichen Dörfern erhalten zu können, werden die Männer, oft die gesamten Familien, aus ihrem vertrauten Umfeld herausgerissen und in einer der vielen rasch wachsenden Städte in den Favelas, den Armenvierteln, angesiedelt.

Natürlich bieten die Städte, so Zgubic, vordergründig bessere Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, doch das wiege nichts im Vergleich zur sozialen Verwahrlosung. Allein in den Gefängnissen im Bundesstaat São Paolo sei die Zahl der Insassen in den letzten zwei Jahrzehnten um 780 Prozent gestiegen. Die Agrarindustrie zahlt kaum Steuern, doch schlechte Löhne, die nicht zum Leben reichen. In keinem anderen Land der Welt kann eine Minderheit so rasch reich werden wie in Brasilien. Die Kehrseite: Die Vermassung in den Städten hat zu mehr Gewalt, Diebstahl von Konsumgütern des täglichen Gebrauchs und Drogenhandel geführt. Der Schwarzmarkt boomt, illegaler Straßenhandel gehört zum Stadtbild. Zgubic: „Den Armen Brasiliens wird systematisch die Würde geraubt.“ Und er verweist dabei auf das Buch Jesaja im Alten Testament. Fasten, heißt es dort im Kapitel 58, bedeute, „die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen“.

Was das alles mit uns in Europa zu tun habe? Allein das kleine Österreich importiert jährlich bis zu 600.000 Tonnen lateinamerikanische Futtermittel. Der reiche Norden könnte seine Gier nach Fleisch längst nicht mehr mit seinen eigenen Ressourcen stillen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ