Gerecht leben - Fleisch fasten. 2015 | Teil 04
Wir essen weniger, aber wir geben gleich viel Geld aus  …

In einem guten Gesprächsklima haben die „Fleischfaster“ Wolfgang Schwarz und Elisabeth Fritzl mit den „Styriabrid“-Mitgliedern Hanspeter Bäck, Werner Pail und Alfred Scheucher (im Bild von links nach rechts) viele gemeinsame Anliegen,... | Foto: Sonntagsblatt
  • In einem guten Gesprächsklima haben die „Fleischfaster“ Wolfgang Schwarz und Elisabeth Fritzl mit den „Styriabrid“-Mitgliedern Hanspeter Bäck, Werner Pail und Alfred Scheucher (im Bild von links nach rechts) viele gemeinsame Anliegen,...
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Wirtschaftlichen Nachteil kompensieren

„Ich habe den Betrieb von meinem Vater übernommen. Obwohl damit viel Arbeit verbunden ist und man heute als Schweinebauer nicht allzu viel verdient, mache ich diese Arbeit gerne“, sagt Werner Pail im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

Wir treffen den engagierten Schweinebauern aus Wagendorf in der Südsteiermark beim Gedankenaustausch zwischen Vertretern der Aktion „Gerecht leben – Fleisch fasten“ und Mitgliedern von „Styriabrid“. Die „Vorteilsgemeinschaft“ vertritt etwa 1600 steirische Betriebe und damit mehr als die Hälfte der steirischen Schweinebauern. Sie hat die „Fleischfaster“ zum Gespräch nach St. Veit am Vogau eingeladen.

Styriabrid-Aufsichtsratsvorsitzender Kurt Tauschmann und Geschäftsführer Raimund Tschiggerl skizzieren die Herausforderungen, vor denen die heimische Viehwirtschaft steht. „Vor allem die kleinstrukturierten landwirtschaftlichen Betriebe der Steiermark haben wesentlich höhere Produktionskosten. Deshalb ist es wichtig, dass sich diese zusammenschließen, ihr Angebot bündeln und somit den wirtschaftlichen Nachteil kompensieren können“, erörtert Kurt Tauschmann.

„Wir werden immer weniger Bauern“, sagt Raimund Tschiggerl, die Anzahl der Tiere je Halter ist mit etwa 110 Tieren europaweit sehr gering: „Sowohl Schweinebestand wie auch Halter nehmen etwa gleichmäßig ab, wir sind einem großen Druck ausgesetzt“, so der diplomierte Agrarwirt. „Momentan sinkt die Schweinefleischproduktion, der Konsum wird aber nicht weniger, deshalb steigen zwingend die Importe.“ In der Beurteilung, wie es weitergehen kann, sind sich die „Fleischfaster“ und die „Schweinebauern“ weitgehend einig: „Mittel- bis langfristig muss sich am gesamten System etwas ändern“, lautet die gemeinsame Einschätzung.

Weltweit ökologisch verträglich?

Eine Grundthese von „Gerecht leben – Fleisch fasten“ ist die Tatsache, dass ein zu hoher Fleischkonsum in Europa Anbauflächen in ärmere Gegenden „auslagert“ und deshalb sozial und ökologisch nicht nachhaltig ist.

Diesen Aspekt bekräftigt der ehemalige Missio-Direktor Wolfgang Schwarz aus eigener Erfahrung. Die Solidaritätsgruppe in seiner Pfarre Graz-Schutzengel hält enge Kontakte zu betroffenen brasilianischen Bauern. Wolfgang Schwarz ist überzeugt, dass Fasten immer eine Dimension der Solidarität einschließt. Als entwicklungspolitsche Einrichtung der katholischen Kirche setzt sich deshalb das „Welthaus“ besonders für die Benachteiligten in Entwicklungs- und Schwellenländern ein und ist oft ein wichtiger „Anwalt für die Armen“. Klarerweise sind diese globalen Dimensionen sehr komplex, die heimischen Bauern oft einem Korsett von „Marktgesetzen“ unterworfen, die aber unter anderem der Konsument durch sein Einkaufsverhalten aufbrechen kann. Dennoch bleibt es ein erstrebenswerter Traum vieler: dass eine für die heimische Anbaufläche angemessene Menge von Fleisch produziert wird, die den lokalen Fleischbedarf deckt – und dass die steirischen Bäuerinnen und Bauern davon auch leben können.

Das Regionale gehört gestärkt

In diesem Punkt sind sich alle Gesprächsteilnehmer sofort einig. Ein Grundanliegen des „Fleischfastens“ war ja, die heimischen Bauern durch den Kauf regionaler Produkte zu stärken, vor allem Fleisch mit hoher Qualität zu genießen. „Möglichst aus der Region und zu einem fairen Preis, von dem unsere Bauern und Bäuerinnen auch leben können“, wie „Gerecht leben – Fleisch fasten“ fordert. Raimund Tschiggerl beschreibt allerdings auch ein Dilemma der heimischen Schweinebauern: „Alle wünschen sich regionale und hochwertige Produkte, aber Handel und Konsumenten unterstützen uns zu wenig. Wir haben halt in der Vergangenheit einige schlechte Erfahrungen gemacht“, merkt Tschiggerl an. „So wurden wir etwa bei einem gentechnikfreien Programm von einer großen Handelskette kurzfristig sitzen gelassen.“ Styriabrid setzt hier weiterhin auf Qualitätsprogramme (z. B. „Absolut steirisch“ oder „Steirerglück“).

Ganz persönlich und praktisch fasst Hans Putzer dieses gemeinsame Anliegen perfekt zusammen: „In unserer Familie essen wir viel weniger Fleisch als noch vor einigen Jahren – aber wir geben dafür gleich viel Geld aus.“

Damit ist der interessante Gedankenaustausch bei jenen angekommen, die abwesend sind und zugleich anwesend: bei uns Konsumenten. Mit dem, was wir essen, entscheiden wir mit, wie wir weiterhin leben: hier und anderswo.

Heinz Finster/Markus Meister

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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