Zeitdiagnose | Teil 06
Nun sag, wie hast du’s mit dem Islam?

In unserer Gesellschaft gibt es vielfältiges Engagement für Menschenrechte & Zivilcourage – gegen Diskriminierung & Extremismus. | Foto: www.das-buendnis.at
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In Goethes Faust stellt das Gretchen dem Titelhelden wohl eine der berühmtesten Fragen der deutschsprachigen Literatur: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.“

Eine Frage, die wohl auch schon vor über 200 Jahren von vielen, so sichtlich auch von Faust, als unangenehm empfunden wurde. Nach dessen längerem Ausweichen kommt, wir erinnern uns noch gut an unseren Deutschunterricht, Gretchens resignative Feststellung: „Denn du hast kein Christentum.“

Religion ohne Bekenntnis gibt es nicht. Über den Glauben zu reden ist das eine, sich zu (s)einem Glauben zu bekennen das andere. Über Jahrhunderte hinweg waren diese Bekenntnisse aber immer auch Bruchlinien zwischen Staaten und Kulturen, nicht selten Trennlinien innerhalb der Gesellschaft. Wo mit kompromisslosem Absolutheitsanspruch das eigene Bekenntnis als das einzig mögliche und wahre verstanden wurde, dort war kein Dialog möglich.

 

Die Einheit unter den Völkern fördern

Das Zweite Vatikanische Konzil hat in seiner Erklärung „Nostra aetate“ hier eine deutliche Umkehr vorgenommen: Aufgabe der Kirche sei es, „die Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu fördern“. Koexistenz und Dialog seien notwendig, der universelle Heilswille stehe über all den einzelnen Religionen.

Spätestens seit der Silvesternacht von Köln sind antimuslimische Ressentiments auch in der so genannten „Mitte der Gesellschaft“ angekommen. „Junge Moslems geben den Frauen zwar nicht die Hand, aber sie greifen ihnen in den Schritt“ ist die mittlerweile schon mehrfach gehörte und zu lesende Pauschalverurteilung. Da spielt es keine Rolle, dass der Großteil der in Europa gestrandeten moslemischen Flüchtlinge vor Islamisten geflohen ist. Da wird plötzlich vergessen, dass Moslems in Kenia vor kurzem erst Christen in einem Bus vor einem islamistischen Terroranschlag geschützt haben oder in Paris Weihnachtsmessen von Muslimen in einem symbolischen Akt der Brüderlichkeit bewacht wurden. Wenn es Anschläge gebe, „dann töten sie uns gemeinsam“, so dieses deutliche Bekenntnis zur Solidarität. „Bekenntnis“, da haben wir das Wort wieder!

Wie schwer auch wir uns in unserer Kirche mit dieser Herausforderung tun, zeigen zwei Nachrichten der letzten Tage: Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin forderte einmal mehr führende Islam-Gelehrte auf, die terroristischen Gewalttaten „ohne Zweideutigkeiten zu verurteilen“.

Der auch hierzulande sehr populäre tschechische Tomas Halik wiederum hat festgehalten: „Wer nicht unterscheidet zwischen Islam und Islamismus, erfüllt den Islamisten ihren größten Wunsch und spielt mit dem Feuer.“

Die katholische Kirche solle viel mehr eine Vermittlerrolle zwischen dem Islam und dem säkularen Westen einnehmen: „Sie kann in vielem besser als die Atheisten den Islam verstehen und auch besser als die Muslime den Säkularhumanismus, dieses ungewollte Kind des westlichen Christentums.“


Hans Putzer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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