Brasilien | Teil 02
Kein Tropfen auf den heißen Stein

 

Ein kleiner Junge trabt mit Pferd und Wagen verschwitzt an uns vorüber. Heißer Wind weht uns den orangen Sand in die Augen. Die Sonne brennt auf die blätterlosen Büsche. Wir husten und schnappen nach Luft, als wir in Queimada de Floriano endlich aus dem Auto steigen. Selbst in den Häusern in diesem kleinen Dorf fällt es schwer, tief durchzuatmen. Der Staub kratzt. Erste Eindrücke eines Besuchs im Landesinneren des Bundesstaates Bahia, der trockensten Zone Brasiliens.

Anna Ilsa wäscht gerade das Geschirr im kleinen Garten hinter ihrem armseligen, dunklen Zwei-Zimmer-Haus. Von einem Zaun zum anderen hängt frisch gewaschene bunte Wäsche. „Heute geht alles viel leichter“, sagt die junge Frau. Früher musste sie täglich mit dem Fahrrad zum Fluss fahren, um den 20-Liter-Kanister mit Wasser aufzufüllen. Meistens abends, nach einem harten Tag auf dem Feld. Damit ist jetzt Schluss. Nun besitzt die vierköpfige Familie eine Zisterne. Hier sammelt man das Regenwasser, und ein Filter bereitet es auf – zum Geschirr- und Wäsche-Waschen, zum Trinken und Kochen. „Die Zisterne ist das schönste Geschenk, das uns passieren konnte“, strahlt auch ihr Nachbar José stolz. Früher bohrte er im ausgetrockneten Flussbett Löcher. Das Wasser schmeckte nach Salz und Schmutz.

Josés Zisterne umfasst 16.000 Liter. Das wäre genug, um fünf Personen ein Jahr lang mit Wasser zu versorgen. Im Moment ist jedoch nicht einmal das erste Viertel des Behälters voll. Ob es auch für die Ziege, die Schafe, Hühner und den Gemüsegarten reichen wird? „Man wird sehen“, sagt José hoffnungsvoll. Im letzten Sommer habe es leider nicht genug geregnet. Bis November wird man noch auf die nächsten Wassertropfen warten müssen.

Dann fallen in zwei oder drei Monaten insgesamt durchschnittlich 500 Milliliter Regenwasser. Nicht wenig. Aber die Verdunstung ist groß. Und die restliche Zeit im Jahr brennt dann nur noch die Sonne vom Himmel.

Für viele ist das ein Grund, die Dörfer zu verlassen. „Der Großteil geht in die Städte“, sagt Volksschullehrerin Valerie. Ihr Ziel: Sao Paulo, Brasilia oder Rio. „Alle haben irgendwelche Verwandte und Freunde dort. Die Hoffnung, dort besser zu leben, ist bei allen da. Leider.“

Eine Million neue Zisternen im Bundesstaat Bahia ist aus diesem Grund seit einigen Jahren das ehrgeizige Ziel der brasilianischen Regierung. Bisher baute man jedoch bloß 200.000. „Das staatliche Geld für diesen Plan ist viel zu knapp“, sagt der österreichische Entwicklungshelfer Rainer Tomaselli, dessen selbstgegründeter Verein GARRA Zisternen sponsert und die Familien mit ausgebildeten Maurern beim Bau unterstützt.

„In den 80er Jahren war es noch leichter, Geld von Europa zu bekommen. Jetzt arbeiten wir großteils für Regierungsprojekte.“ Er wünscht sich mehr Teilfinanzierungen aus Europa: „Sonst sind wir abhängig von der Regierung. Da sagen dann die Herren, was wir machen müssen.“

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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