Sehnsucht. Herbstserie 2016 | Teil 03
Ich wundere mich, wieso er nicht neben mir sitzt

Foto: Gerd Neuhold

Das ist jetzt vielleicht vier Jahre her. Bei einem SOS-Fest von der Caritas im Schloss Eggenberg.“ Im eleganten Kleid steht Irene Hochfellner lachend neben ihrem Mann. Bei einem nachdenklichen Blick auf das Foto kommen sofort die Erinnerungen an den Mann, mit dem sie 30 Jahre lang verheiratet war und zwei Kinder hat.

Am 31. Oktober des vergangenen Jahres, an einem herrlichen Herbsttag, wollte der 56-jährige Zahnarzt Michael Hochfellner mit einem Freund und dessen Tochter wegen des schönen Wetters noch einmal den Klettersteig am Kaiserschild in der Eisenerzer Ramsau gehen. Ein Anruf ihres Sohnes veränderte Irene Hochfellners Leben. Sie begriff nichts. Selbst als sie hörte: „Mama, es ist was passiert“, konnte sie sich das Ausmaß dessen, was geschehen war, nicht ausmalen: 200 Meter war ihr Mann abgestürzt, weil sich ein Karabiner aufgebogen hatte, was nur sehr selten vorkommt.

„Für mich ist das wie ein umgekehrter Lottosechser. Dann sitzt man nur da, gefühlsmäßig in totaler Schockstarre. Es geht einem körperlich wirklich schlecht, so als ob man eine schwere Grippe hinter sich hätte, als ob der Körper entgiften müsste. Man kann nicht essen oder schlafen.“ Scheinbar ruhig und recht distanziert beschreibt Irene Hochfellner ihre gefühlsmäßige Entwicklung nach dem Tod des Mannes. „Am Anfang kann man auch gar nicht weinen, aber dann nach ungefähr vierzehn Tagen oder drei Wochen kommen die Tränen, und man weint bis zur Erschöpfung, als ob sich plötzlich ein Ventil geöffnet hätte. Es ist eine große Erleichterung, wenn das möglich ist.“

Der weitere Trauerprozess läuft ihrer Meinung nach in abebbenden Wellen ab. Das Weinen wird zwar weniger, aber kommt immer wieder. „Wenn man meint, jetzt müsste das alles eigentlich vorbei sein“, sind die Tränen wieder da, wundert sie sich.

Unvorstellbar bleibt für Irene Hochfellner, dass dieser Mensch, mit dem sie ihr Leben teilte, ohne jede Art von Abschied nicht mehr da ist. „Ich hab’ ihn nie tot gesehen oder krank, er ist einfach in der Früh frisch und fröhlich bei der Tür hinausgegangen und nicht mehr wiedergekommen. Er bleibt mir in Erinnerung als gesunder, energiegeladener Mensch. Manchmal, wenn ich im Kino einen Film anschaue, wundere ich mich, dass er nicht neben mir sitzt und mir seine Hand auf den Oberschenkel legt. Wenn ich im Wald beim Walken bin, habe ich die Vorstellung, er könnte mir entgegenkommen.“

Er ist mitten aus einem Leben gefallen, in dem er noch sehr viel verwirklichen wollte. „Wir hatten so viele gemeinsame Pläne für schöne Reisen, er wollte noch unbedingt den Montblanc machen.“ Da spürt man trotz aller Beherrschung die starke Anspannung und wie ihre Stimme beinahe zu zittern beginnt. Insgesamt versucht Irene Hochfellner, sich langsam wieder dem Leben zu öffnen, und will mit ihrer Tochter nächstes Jahr wieder eine große Reise unternehmen. Gerade das fällt schwer, denn das gemeinsame Unterwegs-Sein war etwas, was sie mit ihrem Mann so sehr genossen hatte.

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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