Bausteine des Glaubens | Teil 02
Gott, der Befreier

Befreiung – junge Häftlinge beten regelmäßig mit Studenten der Nürnberger Hochschulgemeinde vor dem Misereor-Fastentuch, das Mirjam sowie den gekreuzigten und sich im Abendmahl (mit-)teilenden Christus zeigt.  | Foto: KNA
  • Befreiung – junge Häftlinge beten regelmäßig mit Studenten der Nürnberger Hochschulgemeinde vor dem Misereor-Fastentuch, das Mirjam sowie den gekreuzigten und sich im Abendmahl (mit-)teilenden Christus zeigt.
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„Gott hat uns aus Ägypten herausgeführt.“ – Das ist das Zentrum des Glaubens Israels und die Mitte des Alten Testamentes. Welche Konsequenzen hat das Befreiungshandeln Gottes für die Beziehung der Menschen zu Gott und untereinander?

Am Anfang war die Befreiung. Es ist die zentrale Überzeugung Israels, dass Gott sein Volk aus Ägypten, dem Sklavenhaus, befreit hat. Die Erinnerung an den Exodus, den Auszug aus Ägypten, durchzieht das ganze Alte Testament und prägt das Judentum bis heute. Die Israeliten waren fremd in Ägypten, Migranten, die Zwangsarbeit leisten mussten. Da hat Mose an einem brennenden Dornbusch eine geheimnisvolle Gottesbegegnung. Er erhält den Auftrag, Israel aus Ägypten herauszuführen – im Namen JAHWEs – des „Ich bin, der ich sein werde“ (Ex 3,14).

„Du wirst…“ Der Gott Israels ist keine abstrakte Größe, er teilt nicht bloß seinen Willen und seine Gebote mit, sondern er offenbart sich in der Geschichte: In seinem befreienden Handeln erweist er sich als der befreiende Gott. Und seine Gebote sind eng verknüpft mit seiner Befreiungstat. Sie sind Konsequenz der Befreiung und dienen der Bewahrung der Freiheit. Die Zehn Gebote beginnen mit der Befreiungstat Gottes: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Daran schließt an, was daraus folgt: „Du wirst neben mir keine anderen Götter haben… Du wirst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen“ (Ex 20,2–5). Die übliche Übersetzung „Du sollst“ lässt den Zusammenhang von Heilstat Gottes und Gebot kaum erkennen.

„Selbst Fremde gewesen.“ Die Konsequenzen aus dem Exodus überschreiten sogar die Grenzen des eigenen Volkes: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott“ (Lev 19,34). Die „Urerfahrung“ der Befreiung aus Unrecht und Unterdrückung ist bleibend gebunden an den Einsatz für Recht und Gerechtigkeit.

Auf der Seite der Ohnmächtigen. Der Exodus erzählt vom Sieg der Kleinen, Ohnmächtigen, Benachteiligten gegen eine mächtige, hochgerüstete Übermacht: Mirjam „nahm die Pauke in die Hand, und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her. Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer“ (Ex 15,20f). Dieses Befreiungslied – einer der ältesten schriftlich überlieferten Texte der Bibel – formuliert die Gotteserfahrung Israels: Rettung gegen alle Wahrscheinlichkeit, Befreiung aus scheinbar fest zementierten Machtverhältnissen, neues Leben für die, die für sich keine Chance mehr gesehen haben. Dass Gott auf der Seite der Schwachen ist, diese Überzeugung findet sich überall in der Bibel: von Davids Kampf gegen Goliat über Maria, die Gott preist, denn „er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,52), bis zu Jesus, der sich vorrangig den Armen und Ausgegrenzten zuwendet.

Der sich „herabbeugt“. Israels Gott ist kein Gott, der hoch über den Welten thront. „Jahwe“, der „Ich-bin-da“, ist einer, der sich „herabbeugt“. Er hört das Schreien der Bedrängten, er sieht ihr Elend (Dtn 26,7) – und ergreift Partei gegen die Unterdrücker. Von Gott zu reden heißt im Alten Testament immer, von beidem zu sprechen: von seiner Größe und von seiner – Freiheit und Gerechtigkeit schaffenden – Nähe. Gottes Hoheit kann nicht losgelöst werden von seiner Hinwendung zu den Armen, Verachteten und Versklavten. Das gilt auch für das Neue Testament. Gottes rettende Nähe wird in Jesus unüberbietbar konkret. Jesus ist der „Immanuel“, der „Gott-mit-uns“ in Person – aufrichtend, befreiend, heilend, zu Liebe und Gerechtigkeit herausfordernd.

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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