Im Augenblick | Teil 02
Glaube weist uns den Weg zu denen, die uns brauchen

Foto: Gerd Neuhold, Sonntagsblatt

Es gab hier in Lieboch starke Gegenströmungen von Teilen der Bevölkerung.“ Es war sicher nicht einfach, mit diesem Projekt zu beginnen. Inge Schrettle erteilte bereits in Dobl Flüchtlingen Deutschunterricht. Ihr war klar, dass es konkreter Schritte bedurfte, als 2015 auch nach Lieboch Flüchtlinge kamen. Mittlerweile leben im Ort 80 Flüchtlinge in zwei Unterkünften. „Für mich ist es wichtig, den Menschen, die schon hier bei uns sind, größtmögliche Unterstützung zu geben. Es ist unser Auftrag als Christen: Menschen, die vor unserer Türe stehen, zu helfen.“

Als Koordinatorin der ehrenamtlichen Deutschlehrerinnen in der Pfarre Lieboch kann die 67-Jährige auf ihre Ausbildung zurückgreifen, hat sie doch bei ihrer Arbeit in der KPH immer Erasmusstudenten betreut und die Ausbildung für Deutsch als Fremdsprache absolviert. Sie kann auf gute Unterlagen zurückgreifen, denn auch die Vorbereitung des Unterrichts bedeutet viel Aufwand. Ein bisschen sprechen oder lesen lernen reicht nicht, da wird ordentlich gestrebert, geübt und Grundsätzliches durchgearbeitet. Schließlich ist das Beherrschen der deutschen Sprache Grundstein für Berufstätigkeit und Kommunikation mit Nachbarn und Ämtern. Jetzt im Sommer gehe es darum, dass auch die Kinder über die Ferien nicht allzu viel vergessen und im Herbst in der Schule nicht wieder bei Null anfangen müssen.

Trotz großer Zufriedenheit mit dem Erreichten macht sich bei Inge Schrettle zur Zeit eine gewisse Erschöpfung bemerkbar. 2015 war nicht unbedingt absehbar, dass es notwendig sein würde, das zuerst so freudige, spontane Engagement längerfristig durchzuhalten und schon gar nicht, wie das ausschauen soll. Auch wie die Helfer mit den Belastungen, die das für sie bedeutete, zurechtkommen sollen, wird nun immer stärker zum Thema. Die Erfahrung zeigt: Bei Deutschstunden allein bleibt es nicht. Sie sind längst nicht genug. „Natürlich wenden sich die Flüchtlinge, mit denen ich arbeite, bei Problemen zuerst an mich und an alle, die sie schon kennen.“ Enttäuschungen gilt es auch zu verdauen, wenn manche Termine nicht einhalten oder sich wenig darum kümmern, hier in Österreich voranzukommen.

„Wie gehen wir damit um?“ Diese Frage stellt sich für den gesamten Helferkreis. Eines will Inge Schrettle nicht verhehlen: „Vieles ist entmutigend und bedeutet einen sehr großen Zeitaufwand.“ Man müsse sich eingestehen: „Eine gute Integration wird uns nicht mit allen Menschen gelingen.“ Helfer müssen eben auch lernen, mit ihren eigenen Kräften gut hauszuhalten, damit sie nicht ausbrennen. Das hat Inge Schrettle schon in anderen Gruppen gelernt. „Ich habe jetzt wieder zwei junge Frauen dabei, die sich voller Begeisterung an die Arbeit machen. Da habe ich oft Angst, dass sie sich selbst zu viel zumuten und am Ende überfordern.“

Aber keinen mehr reinzulasssen, wie man es heute so oft hört, ist für die seit langem auch in der Entwicklungshilfe Engagierte keine Alternative. Wegschauen keine Möglichkeit, mit der Situation umzugehen. „Das ist mit unserem Glauben nicht vereinbar.“

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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