Weltrezepte | Interview
Gesunde Küche muss weltoffen sein

Johanna Maier (Bildmitte) kocht nicht nur auf Weltniveau, sondern gibt auch ihre Erfahrung in ihrer Kochschule und in Büchern weiter: www.johannamaier.at  | Foto: Hotel Hubertus Maier OG
  • Johanna Maier (Bildmitte) kocht nicht nur auf Weltniveau, sondern gibt auch ihre Erfahrung in ihrer Kochschule und in Büchern weiter: www.johannamaier.at
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 „Österreichische Weltküche“ steht als Ihr Motto über Ihrem kulinarischen Schaffen. Was meinen Sie damit?

Johanna Maier: Eine gesunde und genussorientierte Küche kann und soll weltoffen sein und sich von fremden Kulturen befruchten lassen. Man lernt nie aus und lebt auch nicht lange genug, um alle Erfahrungen dieser Welt selber zu machen. Zudem gibt es viele Gewürze, die in unseren Breiten nicht gedeihen, aber nachweislich die Gesundheit unterstützen, zu mehr Wohlgefühl und wunderbaren Geschmackserlebnissen führen.

Doch es war und ist mir immer wichtig, Ernährungslehren, Zubereitungsmethoden, Trends und Strömungen so gut wie möglich mit heimischen Lebensmitteln zu kombinieren und mit unseren Essgewohnheiten in Einklang zu bringen.

Italienisch bis indisch, afrikanisch bis asiatisch – welche Speisetradition interessiert Sie außer der heimischen am meisten?

Ich orientiere mich da mehr am Ursprung des Lebensmittels. Nehmen wir zum Beispiel die Kartoffel: Ihre Heimat liegt in den Anden. Dort wird der Erdapfel schon seit über 10.000 Jahren angebaut. Es macht daher Sinn, sich dafür zu interessieren, wie die Menschen in Peru die Kartoffel verarbeiten und zubereiten – und vor allem auch, welche Sorten es gibt und wie sie schmecken. Oder die Vielfalt der Teigware: Wir verbinden damit automatisch Italien und Pasta, aber auch Chinesen, Inder und Araber essen Nudeln.

Kurz gesagt: Mit jeder Grundzutat kommt automatisch die Frage, wie und was kocht damit die Welt? Und was davon lässt sich in unsere Küche übernehmen, um unsere Sinne zu bereichern und unser Wohlbefinden zu fördern?

Kann das Essen einem Gast erzählen, wie Menschen leben?

Einen Menschen nach seinen Essgewohnheiten abzuurteilen wäre mir wirklich zu oberflächlich. Was vielfach vergessen wird, ist, dass das Miteinander, das gemeinsame Mahl, das Plaudern, Zuhören und Zeitschenken für unser Wohlbefinden heutzutage oft wichtiger ist als das, was man dabei isst. Was der Psyche guttut, kann dem Körper nicht schaden. Das war auch die Philosophie von Sebastian Kneipp, den ich über alles schätze. Wer ausgeglichen und zufrieden lebt, isst auch weniger und besser, das ist erwiesen. Wenn gesundes Essen zum Zwang wird, geht der Genuss verloren, auch das macht krank. Wobei es schon auch wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass man nur einen Körper hat und es keinesfalls egal ist, was man in sich hineinisst.


Sie schreiben, gutes Kochen setze die Liebe zur Schöpfung und ihren Gaben voraus. Was kann der Koch, die Köchin tun, um damit verantwortungsvoll umzugehen?

Ich meine damit Achtsamkeit und Wahrnehmung gegenüber allem, was lebt – Nächstenliebe in ihrer weitesten Form. Wer für sich selbst, für die Familie und Mitmenschen Verantwortung übernimmt, kommt gar nicht darum herum, auch Naturverantwortung zu übernehmen. Und die beginnt beim Einkauf. Regional, saisonal, mehr Gemüse und weniger Fleisch, und das möglichst aus biologischer Herkunft. Ich versuche, unsere Speisekarte subtil in die richtige Richtung zu drehen, ohne dass unsere Gäste etwas vermissen. Ich will auch in meiner Kochschule zeigen, dass ausgewogene Ernährung alle Sinne berührt, guttut und überdies ganz köstlich schmeckt.

Schmerzt es Sie, wenn Brot im Müll landet?

Da haben Sie jetzt wirklich einen wunden Punkt erwischt. Mich stört nämlich nicht nur das Wegwerfen von Brot, sondern vor allem, wie es produziert wird. Wirklich gutes Brot braucht Zeit und Liebe, bestes frisch gemahlenes Getreide und eine lange Teigführung. All das geht in den Aufbackstationen verloren und damit auch der Nährwert und die Bekömmlichkeit. Wir backen unser Brot längst schon wieder selbst, weil es besser schmeckt und gesünder ist. Aber viele Menschen haben schon erkannt, dass „unser tägliches Brot“ als Kulturgut einen hohen Wert hat, und schön langsam kommen wieder Bäcker, die das traditionelle Handwerk pflegen. Und wer einmal Brot übrig hat, kann ja Panzanella machen, das ist ein italienischer Brotsalat mit reifen Tomaten, Basilikum und roten Zwiebeln. Oder Brus­chetta oder einen Strammen Max.

Viele Lebensmittel kommen von weit her, werden auf internationalen Märkten gehandelt, und die Erzeuger können von ihrer Hände Arbeit nicht leben. Hat der Koch, die Köchin auch da Verantwortung?

Jeder trägt Verantwortung. Im Grunde steuert ja der Endverbraucher den Markt. Produziert wird, was gekauft wird. Da muss man sich schon selber auch mal an der Nase nehmen. Die Frage ist vielmehr, ob ich Erdbeeren im Winter essen muss und ob ich nicht doch lieber zu Fair-Trade-Produkten greife, wenn es um Bananen, Kaffee oder Kakao geht. Da kann ich wenigstens ansatzweise sicher sein, dass die Bauern entsprechend entlohnt werden und ich keine Kinderarbeit fördere. Es geht also nicht darum, keine Bananen zu essen, sondern die richtigen. Oder nehmen wir die Milch: Ein kritischer Blick auf die Verpackung genügt, um zu wissen, woher die Lebensmittel kommen.

Wie wichtig ist es, beim Kochen an diejenigen zu denken, für die man kocht?

„Koche mit Liebe, so dass du die Liebe im Essen hast“, hat meine Großmutter immer zu mir gesagt. Ich glaube daran, dass sich das Gefühl und die Wertschätzung, mit der man Zutaten auswählt und das Essen zubereitet, auch auf die Speise übertragen. Wer wütend oder genervt kocht, kocht selten gut. Wenn man seine Familie aber liebevoll mit gutem Essen versorgt, dann schmeckt man das einfach.

Was kochen Sie, wenn Sie wenig Zeit haben?

Da gibt es vieles, zum Beispiel ein überbackenes Brot mit Ei, eine Frittata mit Zutaten, die im Haus sind, Pasta in allen Variationen, Fisch gart superschnell, Gemüsecremesuppen sind schnell gemixt, natürlich auch Salate, Palatschinken und ein Flammkuchen, der auch mit Fertigteig ganz wunderbar gelingt.

Die Welt ist gleichzeitig bevölkert von den Restaurants diverser Fast-Food-Ketten. Dazu kommen "dominante" Gerichte wie Pizza. Ist aus Ihrer Sicht ein internationaler "Einheitsbrei" zu befürchten? Oder ist das nur eine Seite der Medaille?

Es sind vor allem der Zeit- und der Stressfaktor, die unsere Ernährungsgewohnheiten beeinflussen, und auch die Tatsache, dass Kochen in unseren Schulen nicht mehr unterrichtet wird. Da aber jeder Trend immer auch einen Gegentrend erzeugt, stimmt mich das hoffnungsfroh. Immer mehr junge Menschen kochen wieder mit Freude, heutzutage mit Hilfe von Youtube, Foren und Blogs. Das ist das Gute am Internet, der Austausch auch über eine gesunde Lebensweise wandelt bei vielen auch die Denkweise und damit auch das Verhalten. Und es gibt ja wirklich zahlreiche Speisen, die frisch, schnell und frei von Konservierungsmitteln und Geschmacksverstärkern zubereitet werden können. Ich denke, die Zukunft zeigt immer mehr in Richtung Fast-Good statt Fast-Food.

Hat man mehr Ehrfurcht, wenn man auch selbst Dinge anbaut - und sei es die Kresse auf dem Fensterbrett?

Der Respekt vor dem Lebensmittel kommt vor allem mit dem Selberkochen. Die Produkte in die Hand zu nehmen, zu entdecken, wie sie sich anfühlen, wie sie duften, wie sie sich beim Kochen verändern - das sind multisensuelle Erfahrungen, die mit nichts vergleichbar sind, das macht süchtig. Und wenn man dann auch noch eigene, frische, lebendige Kräuter griffbereit auf der Fensterbank oder im Garten hat, dann bringt das enorm viel Leben und Energie in die Küche. Manchmal, so zum Durchatmen, vor allem, wenn es in der Küche hektisch zugeht oder ich abends müde bin, dann nehme ich meinen Rosmarin- oder Melissentopf und rieche daran. Das ist meine entspannende Aromatherapie für zwischendurch.

Wenn die Lebensmittel bei Ihnen in die Küche kommen, steht dahinter auch die Arbeit von Menschen. Wie sehr ist der gute Koch/die gute Köchin von anderen abhängig?

Es kann nicht jeder einen Garten haben und sich selbst versorgen, aber es ist schon so, dass viele Menschen sich nicht bewusst sind, wie sehr sie die Verantwortung für das eigene Leben aus der Hand gegeben haben. Auch wenn man es nicht zwangsläufig braucht, gibt es einem viel Lebenssicherheit zu wissen, wie man kocht, Lebensmittel veredelt und haltbar macht. Zudem ist alles, was man mit eigenen Händen schafft, eine enorme persönliche Bereicherung. Das Eigene gibt dem Leben auch Sinn und Qualität. Sich mit Bekannten und regionalen Produzenten ein Netzwerk zu schaffen, dem man vertrauen kann, dass die Pflanzen und Tiere ökologisch korrekt gewachsen sind, fördert auch die Zwischenmenschlichkeit. Unser Leben ist viel zu anonym geworden. Es tut einfach gut und es ist auch eine Lebenshilfe, wenn man die Menschen wieder kennt, von denen man etwas kauft oder bekommt. Meist ist das auch mehr als bloß eine Ware.

Sie unterstützen die Aktion Fastensonntag der Katholischen Frauenbewegung und setzten sich damit zum Beispiel dafür ein, dass hungernde Menschen buchstäblich satt werden. Vielleicht denkt sich jemand: "Frau Maier kocht auf höchstem Niveau. Aber was hat Haubenküche mit dem 'Sattwerden' hungernder Menschen zu tun?" Was sagen Sie darauf?

Natürlich kann meine Fastensuppe nicht die Welt ernähren. Sie soll vielmehr zur kritischen Prüfung unserer eigenen Bedürfnisse anregen und den Blick für die Bedürfnisse anderer öffnen. Sie ist eine Einladung zum Innehalten - und warum sollte dieser Moment nicht durch bestmöglichen Genuss verstärkt werden? Mit dem Geld, das dabei gesammelt wird, kann zumindest ein kleiner Beitrag geleistet werden, dass irgendwo auf dieser Welt eine lokale Lebenssituation verbessert werden kann. Das Hungerproblem auf der Welt ist vielschichtig und weit mehr als ein Verteilungsproblem. Selbst wenn wir den Überfluss, den wir hier haben, in hungernde Länder liefern würden, macht das aus einer Halbwüste noch kein fruchtbares Land. Die Folgen wären wiederum Abhängigkeiten und die tun selten gut. Man kann das nur lokal lösen, durch eine faire, menschenwürdige Agrarpolitik, die weder Ausbeutung noch Landraub zum Ziel hat.

Wenn ich meinen Kindern etwas koche, gerate ich schnell in Stress: Wie wichtig ist Ihnen der Faktor Zeit?

Natürlich ist Zeit ein wichtiger Faktor, vor allem, wenn beide Eltern berufstätig sind. Aber wenn man bedenkt, dass das Aufbacken einer Tiefkühlpizza oft genau so lange dauert wie das Zubereiten einer einfachen Speise, ist das oft eine Frage der Einstellung. Wenn das Kochen zum Muss wird, ist es Druck. Es kann aber auch eine halbe Stunde Abschalten mit allen Sinnen bedeuten: Kochen kann auch beruhigend sein. Wichtig ist, dass man nach einem Wochenplan einkaufen geht, damit tut man auch dem Haushaltsbudget etwas Gutes. Eine gute Strategie für schnelles, zeitsparendes Kochen ist zudem das Vor- oder Mehrkochen und Einfrieren.

Es gibt eine Geschichte, wonach Beethoven eine Melodie beim Spazierengehen eingefallen ist. Wann fallen Ihnen Ihre Kreationen ein?

Es stimmt schon, dass auch ich jeden Tag mit Pauline, meinem Hund, in die Natur gehe und mich von ihr inspirieren lasse. Aber nicht nur. Man muss einfach wach und neugierig durchs Leben gehen, dann gibt es vieles, das die Kreativität fördert.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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