Das Konzil wieder lesen | Teil 11
Gesucht: Der Geist des Konzils

Die Konzilien tragen das Schiff der Kirche. | Foto: Illustration: Steiger

„Progressiv“ und „konservativ“
Eine Richtung, die oft als „konservativ“ bezeichnet wird, geht davon aus, dass die nachkonziliare Entwicklung beziehungsweise für manche bereits das Konzil selbst „zu weit“ gegangen sei. Der Glaube der Kirche sei verraten worden. Eine zweite, „progressive“ Richtung meint, dass das Konzil von der offiziellen Kirche heute zu einschränkend interpretiert werde und dass die geänderten Zeitumstände eine Weiterentwicklung der Aussagen des Konzils notwendig machen. Anhänger dieser Richtung vertreten die Auffassung, dass auch für die Kirche gelte: Nur wer sich ändere, bleibe sich selbst treu.

Was ist das – der Geist des Konzils?

In dieser Auseinandersetzung wird nicht selten vom „Geist des Konzils“ gesprochen, also davon, was die Mehrheit der Konzilsväter „eigentlich“ wollte. So hat Herbert Vorgrimler, damals Dogmatikprofessor in Münster, 1991 einen Aufsatz mit dem Titel „Vom Geist des Konzils“ veröffentlicht. Worin der Geist des Konzils besteht, das ist freilich nicht immer leicht festzustellen. Dazu braucht es eine gute Kenntnis der Konzilsakten. Man muss wissen, wie die ursprünglichen Vorschläge für die Dokumente ausgesehen haben, welche Änderungsvorschläge eingebracht wurden und wie man darüber schließlich abgestimmt hat. Manchmal ergibt das ein sehr deutliches Bild. In anderen Fällen kommt die Berufung auf den Geist des Konzils eher aus dem Gefühl. Entscheidend für das, was das Konzil wollte, ist auf jeden Fall die Endfassung seiner Dokumente, wie sie vom Konzil verabschiedet wurden. Das gilt auch dann, wenn man erkennen muss, dass sie nicht immer eindeutig sind.

Dem Konzil verpflichtet

Katholikinnen und Katholiken, die sich dem Konzil verpflichtet wissen, plädieren dafür, dass bei kirchlichen Entscheidungen die heutigen Zeitumstände angemessen berücksichtigt werden. Dazu müsse man sie aufmerksam studieren. Dabei ist für die meisten klar, dass „berücksichtigen“ nicht heißt, dass man sich kritiklos anpasst. Es heißt aber auch, die Zeitumstände nicht von vornherein nur als negativ anzusehen. Die Kirche müsse sich, so wird gesagt, von den Anliegen der Menschen und der konkreten Situation der Gesellschaft und der Welt beunruhigen lassen. Man weist da-rauf hin, dass die Art und Weise, wie man von Seiten der Kirche zu aktuellen Fragen Stellung nimmt, besondere Aufmerksamkeit verdient. Es müsse so geschehen, dass man damit den Geist und das Herz der Menschen gewinnt. Das stellt freilich hohe Anforderungen nicht nur an die Sachkenntnis, sondern auch an die Sprache der Kirche.

Der Streit um die Sachfragen
In der Zeit nach dem Konzil geht es nicht nur um einen guten Stil der Kirche, sondern auch um den Inhalt, den sie zu vertreten hat. Die „heißen Eisen“, die nach dem Konzil diskutiert wurden und werden, sind allgemein bekannt: Familienplanung und Geburtenkontrolle, wiederverheiratete Geschiedene, Kirche und Sexualität, der Zölibat, die Rolle der Frauen in der Kirche und die (Un-)Möglichkeit ihrer Ordination usw. Bei den Stellungnahmen zu diesen Themen geht es nicht nur um die Frage, wie Christen heute dem Willen Christi treu sein können. Sie lassen auch unterschiedliche Akzente erkennen: Die einen setzen auf Autorität, andere auf Gespräch; die einen auf Identität im Glauben, die anderen auf Zeitgemäßheit; die einen wollen Klarheit, die anderen können auch mit offenen Fragen leben.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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