Advent - Eine Kultur der Erwartung | Teil 01
Geduldig ein Fenster des Kennenlernens öffnen

Foto: Stefan Amsüss

 

Die „stillste Zeit im Jahr“ – die Natur, die zur Ruhe kommt, würde sie uns gerne vermitteln – ist längst hektischem Treiben und bisweilen unsinniger Kaufwut gewichen. Dennoch beginnen Gegenbewegungen wie Zeit-Entschleunigungs-Programme, Zeit-Gutscheine, Kloster auf Zeit usw. dem zunehmenden Bedürfnis nach Alternativen Rechnung zu tragen. Die Not des sich zerfransenden Menschen sucht nach Haltegriffen, nach Orten der Geborgenheit, nach Oasen der Erholung, der Ruhe und der Stille.

Rituale des Adventbrauchtums werden dankbar wiederentdeckt. Der Adventkranz aus grünem Reisig mit den vier Kerzen und dem von Sonntag zu Sonntag wachsenden und wärmenden Licht bis zum Lichterbaum in der Heiligen Nacht lädt die Hausgemeinschaften und Familien zu Tischgemeinschaft, Gespräch, Gebet, Feiern ein. Texte aus der Hl. Schrift, Geschichten, Lieder, Hausmusik, Spiele, Vorbereitungen auf Weihnachten laden ein, Vorfreude mit allen Sinnen zu erleben.

Das Spiel des Adventkalenders – mit jedem Tag öffnet sich ein Fenster einer kleinen Überraschung –, das Warten-Können, das auch die Kinder lernen: Es ist trendig gegen den Zeitgeist, „alles (und noch mehr) haben zu müssen und das sofort“. Unseren St. Martiner Schülerinnen und Schülern im Jugendalter habe ich öfter die Anregung weitergegeben: Was wäre, wenn ihr euch einen Adventkalender der Freundschaft macht?! Geduldig ein Fenster des Kennenlernens und Vertrautwerdens nach dem anderen behutsam öffnen und nicht mit dem „Christkindl“ beginnen.

Wie sehr würde uns eine neue Kultur der Erwartung und des Wachsens der (Vor-)Freude gut tun! Einander heimlich kleine Wohltaten, nette Überraschungen vom unerkannten, guten (Wichtel-)Geist zuzustecken, gegen den Zeit-(Un-)Geist des plakatierten und durch die Medien ausgewalzten und ausposaunten „Schaut her, wie gut ich doch bin“, entspräche vielleicht mehr dem Geist selbstloser Hingabe und Liebe.

Rorate-Gänge aus dunkler Morgenfrühe in das milde Kerzenlicht der Roratemesse in der Kirche und in das anbrechende Tageslicht lassen die oft verschüttete Sehnsucht nach dem heilen Menschen und dem Erlöser-Gott wieder wach werden.

Die Einsicht, dass das Leben wichtiger ist als die Sachen, wird uns in der Erwartung des Kindes im Christ-Geburtsfest ans Herz gelegt. Auch das Fest des 8. Dezember, neun Monate vor Maria Geburt am 8. September, erinnert daran, dass das Leben Geschenk Gottes ist, von der Empfängnis an über Geburt und Lebenszeit dieser Erde, über den Tod hinaus in das ewige Leben in Gott.

Es ist deshalb besonders widersinnig, ja geradezu widerlich, den 8. Dezember vom Fest des Lebens weg zum Kaufrausch und Wühlen in den Sachen umzufunktionieren. „Die Gier ist immer das Ergebnis einer inneren Leere“ (Erich Fromm).

Der Verlust der Freude am Kind und an Kindern wird unser Volk und unsere Kultur untergehen und sterben lassen.

Advent – Erwartung und Vorfreude auf das Kind – wird zur Über-Lebens-Frage.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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