SportsGeist | Teil 01
Es ist nur ein Spiel

Einen Monat lang hat nun wieder der Fußball die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen, wie es kaum ein anderes Thema zu tun vermag. Ganze Länder versinken im Freudentaumel oder in nationaler Verzweiflung – je nachdem, ob ihre Mannschaft gewonnen hat oder ausgeschieden ist. Es werden hitzige Diskussionen geführt über strittige Schiedsrichterentscheidungen, über Geniestreiche oder folgenschwere Fehler einzelner Spieler.

Bei aller Leidenschaft und unter Berücksichtigung aller – auch wirtschaftlichen – Konsequenzen darf eines nicht übersehen werden: Es ist ein Spiel. Und das folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten. Es ist letztlich unvorhersehbar und bringt immer wieder überraschende Wendungen. Jedes Spiel ist einzigartig und unverwechselbar. Dieses spielerische Moment nimmt dem Sport die letzte, bittere Ernsthaftigkeit und gibt ihm etwas Leichtes, Befreiendes – fast ist man geneigt zu sagen: etwas Heiliges.

Als spielerisches Tun öffnet der Sport einen Raum, der vor Verzweckung geschützt ist. Er hat einen unantastbaren Wert in sich selbst. Gespielt wird um des Spieles willen. Wer spielt, ist im Idealfall ganz auf eine Sache konzentriert, ist geistesgegenwärtig, ganz im Wahrnehmen des Augenblicks, im Spiel versunken. Jeder Gedanke an etwas außerhalb des Spieles Liegendes – zum Beispiel an die Gehaltsverhandlungen des Spielers, an den euphorischen Empfang daheim, falls man Weltmeister wird, an die Schande eines eventuell verschossenen Elfmeters – ist der Qualität des Spiels abträglich. Es ist absichtsloses Tun, das zugleich aber auf ein ganz klar definiertes Ziel ausgerichtet ist.

Darin hat der Sport etwas mit Meditation gemeinsam. Der Sport führt mich besser zu mir selbst und manchmal sogar – momenthaft – über mich hinaus. Im Sport lerne ich mich selbst kennen, das Geschenkhafte meiner Fähigkeiten (was wir im religiösen Kontext als „Gnade“ bezeichnen), den Umgang mit Emotionen und Aggressionen, das Erleben von Glück und Trostlosigkeit, das Erkennen und das Übersteigen von Grenzen. Beides, Sport und Gebet, schafft Freiräume zum Alltag und gibt dem Leben Struktur. Und beides ist undenkbar ohne Glauben – zumindest den Glauben an sich selbst.

Ein schönes Beispiel dafür ist ein Bogenschütze, der ganz auf sein Ziel konzentriert ist und zugleich ganz in sich ruht. Bei höchster Anspannung findet er doch Entspannung. Dann entlädt sich die geballte Energie, und im Loslassen wird der Schütze eins mit dem Ziel. Hier kommen sich Sport und Meditation besonders nahe. Für den Sportler wie für den Betenden lässt sich mit Angelus Silesius sagen: „Halt an, wo läufst du hin, der Himmel ist in dir. Suchst du ihn anderswo, du fehlst ihn für und für.“

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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