Sehnsucht. Herbstserie 2016 | Teil 04
Einmal Klingeln vom Schlaf(platz) entfernt

Empfangsdienst. Klaus Resch (rechts) bleibt wach, damit andere schlafen können. | Foto: Neuhold
  • Empfangsdienst. Klaus Resch (rechts) bleibt wach, damit andere schlafen können.
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Vom Grazer Bahnhof, Richtung Citypark, sind es zu Fuß vielleicht zehn Minuten, eher weniger, und kurz nach dem Arbeitsamt klingeln. „Heut’ ist eh nicht besonders viel los. Wenn ich aber Männer abweisen muss, weil wir voll sind, ist das oft bedrückend, aber es hilft ja nichts.“ Klaus Resch, der „heutige Nachtdienst“ in der Arche 38, der Notschlafstelle der Caritas am Eggenberger Gürtel, überlegt. „Am deprimierendsten ist, wenn sie einfach wortlos hinausgehen und ich darüber nachdenke, wo und ob sie wohl einen Platz für diese Nacht finden werden.“

Klaus Resch, mittlerweile 20, hat nach der Matura in der Arche 38 den Zivildienst absolviert und dabei seine Liebe zu dieser Arbeit entdeckt. „Es ist wirklich etwas, das mich erfüllt.“ Aber man brauche schon Durchhaltevermögen, „denn wir haben hier eben alles: Asylwerber, Alkoholkranke, Menschen, die aus anderen Einrichtungen kommen oder nach familiären Gewaltfällen. Aufgenommen wird jeder, der männlich, erwachsen und nüchtern ist, solange es Platz gibt. Im Wartebereich gibt es noch zwei Klappbetten, für Notfälle während der Nacht.

Der junge Mann hat während des Zivildienstes begonnen, Arabisch zu lernen, was ihm nun zugute kommt. „Momentan kommen wieder viele Männer, die nicht Englisch können, etwa Asylwerber, die aus der Grundversorgung rausgefallen sind.“ Mit ihnen kann er sich gut unterhalten und ihnen auch die Regeln klarmachen. In manchen Situationen muss der sonst so freundliche Klaus Resch auch ein bisschen bestimmter auftreten.

Rund 30 Betten stehen in- und ausländischen erwachsenen Männern zur Verfügung. Ruhig, angenehm und tief darf man sich den Schlaf in der Notschlafstelle freilich nicht vorstellen, das weiß auch Manfred Kogler*. „Ab 11 Uhr ist es finster, aber wenn jemand später kommt, muss er ja Licht machen.“ Eine Notschlafstelle ist eben kein Hotel. Man schläft normalerweise mit drei Männern im Zimmer, die Türen sind unversperrt. „Es ist eigentlich kein richtiges Schlafen. Man ist mit einem Ohr wach, trägt persönliche Habseligkeiten am Körper oder versperrt sie im Keller.“ Als der 58-jährige Grazer vor einem Jahr überraschend mitten in der Nacht ohne Schlafplatz dastand, griff er dankbar auf das Angebot zurück. Nachdem er seine Mutter sieben Jahre gepflegt hatte, wurde er nach ihrem Tod faktisch über Nacht wohnungslos. „Wunderbar, dass es diese Einrichtung gibt, denn wo soll man denn hin?“

Man braucht nichts zu beschönigen. Es wurden schon Kopfhörer gestohlen, die Schlafende am Kopf trugen. Manchmal gibt es Unruhe, wenn Suchtkranke nicht schlafen können. Immer wieder reißt ein Feueralarm den Nachtdienst, der sich nach 23 Uhr selbst hinlegt, aus dem wohlverdienten Schlaf, weil wieder jemand trotz Rauchverbots am Klo zum Glimmstengel gegriffen hat.

Aber es gibt Erfolge: Manfred K. lebt inzwischen in einer der beiden Wohngemeinschaften in der Arche 38, schläft „ganz gut“ und ist auf dem Weg zur eigenen Wohnung – und dem eigenen Bett.*Name geändert

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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