caritas in veritate | Teil 07
Die Illusion der Allmacht erniedrigt die Würde

Ist die Technik noch Mittel, oder schon Ziel – und somit Bedrohung?

Wir müssen den Begriff der ,Entfremdung‘ auf seinen christlichen Sinngehalt zurückführen und die dahinterstehende Umkehrung von Mitteln und Zielen sehen.“ So schreibt Johannes Paul II. in seinen Rundschreiben Centesimus annus in der Nr. 41. Diese Vertauschung von Ziel und Mittel bedeutet im Blick auf die Technik eine besondere Gefahr. Technik ist ein wesentliches Moment der Erweiterung der menschlichen Möglichkeiten und damit der Förderung der Würde, sie wird aber gefährlich, wenn durch sie, weil zum Ziel geworden, der Mensch zu einem Mittel erniedrigt wird. In diesem Zusammenhang spricht Benedikt XVI. von technizistischer Mentalität, die „das Wahre mit dem Machbaren zusammenfallen“ lässt und Effizienz und Nutzen zum Kriterium des Wahren macht (70). Deswegen muss der Mensch im Durchdenken der Technik „den zutiefst menschlichen Sinn des Tuns des Menschen im Sinnhorizont der in der Gesamtheit ihres Seins genommenen Person“ erfassen (70). Es ist Aufgabe der Soziallehre der Kirche, diesen Fragehorizont zu eröffnen, der in der technokratischen Verkürzung, die keine Fragen mehr stellt, weil technisch scheinbar alles beantwortet ist, verschlossen wird.

Das zeigt sich besonders in Bezug auf Biotechniken, die oft Anlass sind, das Machbare mit dem Guten zusammenfallen zu lassen. Die Gleichung „weil es technisch möglich ist, ist es gut“ ist gerade hinsichtlich von Eingriffen in die Substanz menschlichen Lebens fatal. In der Wahl zwischen zwei Arten der Rationalität, der „auf Transzendenz hin offenen Vernunft“ oder der „in der Immanenz eingeschlossenen Vernunft“, sieht der Papst das entscheidende „Entweder-Oder“, und er warnt vor der „Illusion der eigenen Allmacht“ (74), die nicht zur Stärkung der Würde beiträgt, sondern zur Erniedrigung führt. Wenn der Papst in diesem Zusammenhang die Frage der Euthanasie oder die Frage des „neurologischen Reduktionismus“ anspricht, so weist das auf entscheidende Felder der Zukunft des Menschen.

Es ist nicht alles technisch bestimmt, sondern es bedarf der Einordnung der Technik durch die ethische Entscheidung. Der Friede etwa kann nicht „technisches Produkt“ sein, das als Ergebnis von Abkommen von Regierungen erscheint (72), eine Kultur des Lebens kann von der Technik nicht geschaffen werden, sondern es bedarf der Einbeziehung der Technik als eines Elementes in eine umfassende Strategie für das Leben. An der Zunahme der Bedeutung der sozialen Kommunikationsmittel zeigt der Papst die Problematik der Technik auf. Ohne diese ist die Welt heute nicht mehr vorstellbar. Im Guten wie im Bösen „sind sie dermaßen im Leben der Welt präsent, dass die Einstellung derjenigen, die die Neutralität der sozialen Kommunikationsmittel behaupten…, wirklich absurd erscheint“ (73). Technische Mittel zeigen Wirkungen, mitunter weitreichende Wirkungen, deswegen müssen diese Mittel im Hinblick auf das, was den Menschen ausmacht, hinterfragt werden.

Gebrauchen wir die Mittel noch als Mittel, oder sind sie schon zum Ziel geworden, und ist damit das Menschliche bedroht?

 

Der Grazer Sozialethiker Dr. Leopold Neuhold analysiert für das Sonntagsblatt die Grundlinien der soeben erschienenen Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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