Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 030
Die Gnade Gottes

Der segnende Jesus von Hans Memling. | Foto: Artmight

Gnade, Charisma, Erwählung Leben unter dem Segen Gottes

Vielmehr ermächtigt und befähigt er diesen in vielfacher Weise und macht ihn damit zu seinem Partner im Heilsgeschehen. Der Mensch ist aufgefordert, Höhen und Tiefen der Geschichte zu durchschreiten, an der Vollendung der Welt mitzuwirken und gerade darin seiner Gottebenbildlichkeit zu entsprechen. Wo von der Geschichte der Welt als einer Heilsgeschichte die Rede ist, dienen die Begriffe „Gnade“ und „Erwählung“ dazu, das Zusammenwirken von Gott und Mensch zu beschreiben.

Von der Begnadigung zur christlichen Gnade
Das Wort „Gnade“ halten viele für ein Wort aus der Religion, doch finden sich auch profane Zusammenhänge, in denen dieses Wort eine wichtige Rolle spielt. So gibt es staatliche Gnadenakte, durch die im Einzelfall „Gnade vor Recht“ ergeht. Darüber hinaus sprechen wir bei außerordentlichen künstlerischen Leistungen von Begnadung. Diese profanen Verwendungen sind für den religiösen Gehalt des Begriffs „Gnade“ durchaus aufschlussreich, denn sie bieten erste Anhaltspunkte für das Verständnis dessen, was im religiösen und speziell im christlichen Sinn mit Gnade gemeint ist. Das Wort vom Gnadenerweis wie das Wort vom begnadeten Künstler bezeichnen eine positive Wirklichkeit, die wesentlich Geschenk ist. Wie der Begriff „Gnade vor Recht“ dies bereits andeutet, erfährt der Täter im Falle der Begnadigung eine Milde, auf die er gerade keinen Rechtsanspruch hat. Ziel des Gnadenaktes ist es, Härten und Unbilligkeiten auszugleichen, die bei der Anwendung der regulären Gesetze im Einzelfall entstehen können. Wie die Rede vom Gna­den­akt, so verweist auch die Rede vom begnadeten Künstler zunächst auf eine Wirklichkeit, die gerade nicht verdient wurde, sondern Geschenk ist. Dieses Geschenk besteht im Falle des Künstlers in dem Talent, das diesem mit seinen Erbanlagen in die Wiege gelegt worden ist. Es ist zum einen Gabe, zum anderen aber auch Aufgabe. Das künstlerische Talent verlangt nämlich nach Entfaltung. Es will aktiv angenommen und kultiviert werden. Nur wenn dies – bisweilen unter einem harten Ringen – geschieht, kommt die erhaltene Begnadung zum Ausdruck.

Göttliche Gnade: unverdient und kostbar
Säkulare Momente des Wortes „Gnade“ spielen auch bei der religiösen Verwendung des Begriffs eine große Rolle. In beiden Fällen geht es um ein „Geschenk“. In beiden Fällen besteht auch das Ziel darin, das kostbare Gut des Lebens anzunehmen und es unverkürzt zur Entfaltung zu bringen. Ist es im Gnadenakt der obersten staatlichen Autorität vorbehalten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, so kommt dieses Vorrecht bei der religiösen Verwendung Gott zu. Der Mensch hingegen darf sich in der Rolle des Künstlers sehen. Nach christlichem Verständnis tritt er in seine Welt ein, ausgestattet mit allem, was er für ein gelingendes Leben benötigt. Wie für den Künstler, so gilt auch für ihn, dass er die Gaben, die Gott ihm verliehen hat, aktiv annehmen, sie entfalten und gegebenenfalls auch um sie ringen muss.[/p]

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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