Ketzer - Unruhestifter des Glaubens | Teil 02
Das neue Evangelium und Markion, der Erzketzer

Der Evangelist Johannes (links) und Markion von Sinope Buchmalerei aus dem 11. Jh. J. Pierpoint  | Foto: wmc
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Vom Leben Markions ist wenig bekannt. Markion wurde gegen Ende des 1. Jahrhunderts geboren in der Hafenstadt Sinope am Schwarzen Meer, sein Vater war dort Gemeindevorsteher in einem Gebiet, Pontos (Apg 2,9), das schon früh eine ansehnliche christliche Bevölkerung hatte. Markion war also von Kindheit an mit dem christlichen Glauben vertraut und gehörte der gebildeten und wohlhabenden Bevölkerung an. Er wurde Schiffsreeder. Über Kleinasien reiste er um 135/140 in die Reichshauptstadt Rom, wo ihn die dortige christliche Gemeinde aufnahm. Er schenkte ihr auch einen Teil seines Vermögens. Als er sich von der Gemeinde trennte, gab sie ihm das Geld zurück. Markion lebte bis etwa 160 n. Chr.

In Rom entwickelte der kühne Denker Markion seine theologische Lehre. Markion war davon überzeugt, dass der christliche Glaube mit Jesus Christus völlig neu in die Welt gekommen sei. Jesus Christus sei Gottes Sohn, aber nicht der Sohn des Gottes, an den das jüdische Volk glaubte. „Niemand fasst neuen Wein in alte Schläuche“ (Lk 5,37) – damit ging er in den Disput mit den Presbytern und Lehrern in Rom. Im Sommer 144 kam es zum Bruch mit der römischen Gemeinde, und Markion gründete seine eigene Kirche. Sie verbreitete sich bald über das ganze Römische Reich. Markionitische Gemeinden beriefen sich auf ihn und sein Gottesverständnis. Seine „reine“ Lehre war mit asketischer Moral und einer strengen Fastenordnung verbunden. Markionitische Gemeinden wurden wiederholt verfolgt, 381 offiziell verboten und bestanden bis ins 5./6. Jahrhundert. Augustinus ließ Markioniten in der allgemeinen (katholischen) Kirche ohne Neutaufe zu, offenbar waren sie also trinitarisch getauft.

Markions Botschaft von der absoluten Neuheit des Evangeliums erschütterte und löste eine heftige Krise aus, wo Christen und Christinnen doch viele Praktiken und Glaubensvorstellungen aus dem Judentum übernommen hatten und die jüdische Bibel lasen. Manche meinten sogar, die Bibel mit Recht dem Volk Israel entrissen zu haben, weil sich das Schriftwort in Jesus Christus erfüllt habe. Die frühen Kirchenväter verabscheuten Markion heftig, Irenäus von Lyon etwa nannte ihn „des Teufels Sprachrohr“. Aus der leidenschaftlichen Bekämpfung des „Erzketzers“ lässt sich etwas von der Bedeutung Markions erschließen. Clemens von Alexandrien bezeichnete ihn immerhin als Giganten. Im 20. Jahrhundert noch galt er als „der größte Ketzer, der jemals aus dem Christentum hervorgegangen ist“ (Egon Friedell).

 

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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