In Europa zu Hause | Teil 02
Ein Münchner dirigiert in Linz

Markus Poschner ist gebürtiger Münchner. Ihn zog es von der bayerischen Landeshauptstadt nach Linz, wo er als Chefdirigent des Bruckner-Orchesters wirkt. – Bild unten: Der Taubenmarkt in der oberösterreichischen Landeshauptstadt. | Foto: Bruckner Orchester Linz, Archiv
2Bilder
  • Markus Poschner ist gebürtiger Münchner. Ihn zog es von der bayerischen Landeshauptstadt nach Linz, wo er als Chefdirigent des Bruckner-Orchesters wirkt. – Bild unten: Der Taubenmarkt in der oberösterreichischen Landeshauptstadt.
  • Foto: Bruckner Orchester Linz, Archiv
  • hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion

Das Geheimnis der Musik liegt zwischen den Noten

Der Wechsel von der bayerischen auf die oberösterreichische Seite fiel ihm nicht schwer, denn er ortet viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Bevölkerungsgruppen.

Die Liebe zur sinfonischen Musik zeichnet den 1971 in München geborenen Musiker und Dirigenten aus. Doch er kennt auch andere Traditionen: „Ich bin eigentlich auf der Orgelbank meines Vaters aufgewachsen, habe die Noten für ihn umgeblättert und die Register gezogen“, erzählt Poschner.

Das verbindet den neuen Chefdirigenten des Bruckner-Orchesters mit dessen Namens­geber Joseph Anton Bruckner. ­Poschner ist überzeugt davon, dass Bruckner ein sehr radikaler Mensch war, denn, so meint der Chefdirigent: „Bruckner hat seinen eigenen musikalischen Zugang zu Gott gesucht, ohne Hilfe der Institution, sozusagen im persönlichen Gespräch. Er war in diesem Sinne wie ein Ketzer, so wie alle Mystiker Ketzer ­waren, die auf der Suche nach dem Geheimnis ­Gottes sind und die wissen, dass man nicht alles mit dem Verstand begreifen kann. Nur so ist zu erklären, warum er ­seinen Weg der Annäherung über die Symphonie wählte – das weltliche Genre schlechthin.“

Musik überschreitet Grenzen. Als Chefdirigent arbeitet Poschner mit 130 Musikern aus über 20 Nationen. Doch: „Musik kennt keinen Reisepass, keine Religion und keine Hautfarbe“, hält der Dirigent fest. Im Gegenteil. „Kunst ist ein öffnendes System“, weiß Poschner aus seiner täglichen Arbeit. In Linz hat sich Poschner rasch eingelebt. Eine gewisse Sturheit könne man weder Bayern noch Oberösterreichern absprechen, auch wenn der Musiker nicht in Allgemeinplätze abgleiten will. „Der ,Münchner Grant‘ ist legendär. Ich interpretiere diesen aber eigentlich als Unlust der Bayern, der Welt ständig sämtliche Gedankengänge und Herleitungen mitteilen zu müssen. Bayern und Oberösterreicher geben am liebsten das Ergebnis bekannt, Diskussionen werden da eher als überflüssig und hinderlich betrachtet.“

Auch vor den Wienern hat man ihn rechtzeitig gewarnt: „Irrtümlich wird ja der Wiener Schmäh oft mit Humor verwechselt. Wenn der Wiener zu jemandem plötzlich richtig freundlich ist, sollte man lieber schnell das Weite suchen, vor allen Dingen als Nicht-Wiener“, analysiert Poschner.

Auf der Sinnsuche. Sich selbst ­bezeichnet er als Suchender, sowohl in religiöser wie in musikalischer Hinsicht. Poschner ­verrät über sich selbst: „Auf vorgegebenen ­Trampelpfaden fühle ich mich nicht gut aufgehoben. Ich habe viele tolle Gespräche mit dem Theologen Paul Zulehner geführt, aber die religiöse Sinnsuche ist für mich ein ­Thema, das noch nicht ausgestanden ist.“

Diese Sinnsuche beschäftigt den Dirigenten aber auch, wenn er Musikstücke erarbeitet. Poschner ist überzeugt davon: „Das ist das Gleiche, wie große, heilige Texte zu deuten und zu verstehen. Der Zweck dieses Vorganges ist, zum Ursinn durchzudringen. Denn beide Werke, sei es eine Notenpartitur oder ein Text aus der Bibel, erzählen von Dingen, die größer sind als wir selbst. Das Geheimnis liegt in den Zwischenräumen – egal, ob es sich um Noten oder um Buchstaben ­handelt.“

Judith Jandrinitsch

Markus Poschner ist gebürtiger Münchner. Ihn zog es von der bayerischen Landeshauptstadt nach Linz, wo er als Chefdirigent des Bruckner-Orchesters wirkt. – Bild unten: Der Taubenmarkt in der oberösterreichischen Landeshauptstadt. | Foto: Bruckner Orchester Linz, Archiv
Österreich übernahm am 1. Juli für sechs Monate den Vorsitz im Rat der EU. Wir porträtieren deshalb Menschen aus anderen EU-Ländern, die in Österreich leben und arbeiten.
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ