Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 029
Das Böse in der Welt

Die Frage nach dem Bösen in der Welt beschäftigt die Menschen seit jeher. | Foto: Fotolia
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Wieso gibt es das Böse?

Die wichtigste Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide Erklärungen das Böse auf eine Gottheit zurückführen. Die unweigerliche Konsequenz dieser Entscheidung besteht darin, dass das Böse damit unausweichlich zur Welt gehört. Die Gottheit steht in diesen Deutungen persönlich für seine Fortexistenz ein. Der Mensch steht diesem Bösen hilflos gegenüber. Er ist für dieses Böse weder verantwortlich, noch hat er eine wirkliche Chance, dieses Böse je zu besiegen oder es auch nur wirksam einzudämmen.

Noch eine weitere Gemeinsamkeit verbindet die beiden Konzeptionen. Unabhängig davon, ob Gut und Böse sich auf zwei göttliche Personen oder Kräfte verteilen, wie der Dualismus dies lehrt, oder sich in einer Person oder Kraft konzentrieren, wie das monistische Konzept dies vorsieht, in jedem Fall dringen mit diesen Erklärungen dunkle Züge in das Gottesbild ein. So steht dem Menschen schließlich eine Gottheit gegenüber, die er – um ihren Zorn nicht zu erregen – zwar verehren muss, die ihm aber in ihrer zerstörerischen Macht gleichzeitig Furcht und Schrecken einflößt.

Der biblische Einbruch des Bösen
Der zweite Schöpfungstext der Bibel schildert, wie der Mensch zu einer schlechten Wahl kommt. Er erzählt, wie der Mensch sich von Gott abwendet, von dem er alles, was er ist und was er hat, empfangen hat. Unter den Einflüsterungen der Schlange öffnet der Mensch sich dem Gedanken, Gott habe ihm sein Leben, seine Frau, seine paradiesische Umwelt nur gegeben, um ihn auf ewig abhängig zu halten. Mit der Vorstellung, ein Leben losgelöst von Gott würde ihn selbst in einen göttlichen Rang erheben, wendet der Mensch sich von Gott als der Quelle alles Guten ab. Er erreicht dadurch jedoch nicht die erwartete Aufwertung seiner Person, sondern Einbrüche auf allen Seiten.

Der Text beschreibt, wie sich nach dem Bruch des Vertrauensver­hältnisses zu Gott plötzlich auch die Beziehung zum Mitmenschen und zur Umwelt verschlechtert. In Mitleidenschaft gezogen ist schließlich auch die Beziehung des Menschen zu sich selbst: Statt der einstigen freundschaftlich dargestellten Nähe zu Gott empfindet der Mensch nun Angst vor ihm und versteckt sich; die ehemals liebende Beziehung zu seiner Frau hat sich in ein Verhältnis gegenseitiger Schuldzuweisung verkehrt, und die Welt, die den Menschen umgibt, hat sich vom paradiesischen Garten in einen Acker verwandelt, der mühsam zu bestellen ist und trotz aller Plackerei doch nur Dornen und Disteln trägt. In der Erfahrung der Scham wird ihm bewusst, dass zu ihm von nun an etwas gehört, das seine eigene Entfaltung wie die der anderen beeinträchtigt, etwas, was er selbst verschuldet hat. Die Scham wird zum Symptom für die Entfremdung des Menschen von sich selbst. Fortan geht ein Riss durch seine Persönlichkeit.

Mit dieser klug abgestimmten und psychologisch einfühlsam beschriebenen Erklärung konfrontiert die Bibel den Menschen mit den Abgründen seiner eigenen Seele. Sie fordert ihn auf, den Blick hinter die eigene Fassade zu wagen und das eigene Böse vor sich selbst aufzudecken. Des Weiteren zwingt sie ihn zu sehen, dass ein Leben auf eigene Faust seine Lebensmöglichkeiten nicht erweitert, sondern sie begrenzt. Seine Welt wird nicht reicher und fröhlicher, sondern ärmer und trauriger durch das Böse. Und er selbst ist dafür die Ursache.

Die biblische Erklärung weist dem Menschen jedoch nicht nur die Verantwortung für das geschehene Böse in der Welt zu. Indem sie den Ursprung des Bösen auf ihn selbst zurückführt, versetzt sie ihn gleichzeitig in die Lage, dem Bösen wirksam entgegenzutreten. Der Mensch der Bibel kann sich vom Bösen abwenden und sich erneut an Gott als dem Inbegriff des Guten ausrichten. Beides, die Möglichkeit, das Böse zu tun, wie auch die Möglichkeit, ihm zu entsagen, gehört folglich zu der von Gott geschenkten Freiheit des Menschen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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