Israel - Einfache Fragen. Überraschende Antworten | Teil 05
Breitkrempige Hüte und Pelzmützen

Bei der Westmauer in Jerusalem kann man orthodoxe Juden beim Bibelstudium sehen. | Foto: Bäckenberger
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Mit ihren schwarzen Kaftanen, den weißen Hemden, ihren Hüten oder Pelzmützen, die sie trotz der hohen sommerlichen Temperaturen des Orients nicht ablegen, schauen die ultraorthodoxen Juden ein wenig aus, als kämen sie aus einer längst untergegangenen Welt. Und das tun sie auch, und zwar nicht nur in ihrem Erscheinungsbild, sondern auch, was ihre theologische Konzeption anlangt. Als Gegenstrategie zur Aufklärung des 18. Jahrhunderts betonen sie bis heute die strenge wortwörtliche Einhaltung der Tora. Die Anpassung religiöser Überlieferungen an die Gegenwart lehnen sie strikt ab.

Für Orthodoxe sind die fünf Bücher des Mose das von Gott direkt geoffenbarte Wort und damit absolut unveränderbar. Das Bestreben der Orthodoxie ist es vielmehr, die Gesetze der Tora auch im heutigen Israel durchzusetzen. Aus dem biblischen Verbot, am Schabbat Feuer zu machen, leiten sie ab, dass man deshalb auch nicht Auto fahren oder mit einem Flugzeug fliegen dürfe. Flugzeuge der israelischen Airline EL AL müssen aus diesem Grund am Schabbat am Boden bleiben und Busse in ihren Garagen.

Das orthodoxe Judentum ist in sich keineswegs eine geschlossene Gruppe, sondern spaltet sich in mehrere Richtungen auf. Die bei uns wohl bekanntesten Orthodoxen sind die chassidischen Juden, in deren Spiritualität Freude, Tanz und Gesang zum Alltag gehören. Diese lebensbejahende Gruppierung sieht sich seit dem 18. Jahrhundert als Alternative zu der streng orthodoxen Form des klassischen Rabbinismus und der kabbalistischen Ausrichtung.

Ein zentrales Thema des orthodoxen Judentums ist der Glaube an das Kommen des Messias, der sein Volk erlösen und die anderen Völker dazu bringen wird, „Schwerter zu Pflugscharen“ (Jes 2,4) zu schmieden. Ihm fällt auch die Aufgabe zu, sein Volk wieder ins verheißene Land zu führen und den zerstörten Tempel wieder neu zu errichten. Einige orthodoxe Richtungen lehnen aber den politischen Zionismus der säkularen Juden ab, da dieser angeblich dem Messias vorgreift. Die strengsten orthodoxen Gruppen setzen auf eine radikal-religiöse Erziehung und zugleich auf eine Abschottung von der modernen Welt. Das führt dazu, dass die säkulare Bildung auf ein Minimum reduziert wird. So sprechen zum Beispiel viele Chassiden, die im Herzen von New York leben, kaum Englisch, sondern nur Jiddisch. Die ausschließliche Kenntnis der eigenen Sprache dient als „Schutzwall“ gegen die säkulare Welt „draußen“.

Gegen die Orthodoxie stellt sich das Reformjudentum (auch: liberales Judentum). Diese Richtung des 19. Jahrhunderts predigt eine moderne Interpretation der Tora. Die Reformer glauben zwar auch, dass es sich bei den 5 Büchern Mose um das Wort Gottes handelt, dass es allerdings von Menschen aufgeschrieben wurde. Deshalb dürfen die dort niedergeschriebenen Lehrsätze auch weiterentwickelt werden. Gegen die zu weit reichenden Ansätze des Reformjudentums richtet sich das konservative Judentum. Es hat sich als Mittelweg etabliert.

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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