Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 056
Barock und Aufklärung

Napoleon Bonaparte krönt sich in Gegenwart des Papstes selbst zum Kaiser. | Foto: wmc
  • Napoleon Bonaparte krönt sich in Gegenwart des Papstes selbst zum Kaiser.
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Im Zeitalter des Barock begannen die Bemühungen der Gegenreformation Früchte zu tragen.

Sapere aude

Die innerkirchliche Lage hatte sich stabilisiert und eine reiche Volksfrömmigkeit hervorgebracht. Vor allem aber zeigten die Bauwerke des Barock eine bis heute faszinierende Sinnlichkeit und große Lebensfreude. Nie wieder wurde ein derartiger Aufwand bei der Ausgestaltung sakraler Bauten betrieben wie in dieser Zeit. Riesige Gemälde, prachtvoll gestaltete Decken, goldene Hochaltäre mit Heiligenfiguren und spielenden Engeln, aufwändigster Stuck, kostbarer Marmor: Durch die Entfaltung von Prunk und Pracht sollen die Augen der Gläubigen gefesselt und der irdische Ort zum Abglanz der himmlischen Herrlichkeit werden. Das „heilige Spiel“ der Liturgie wird nicht selten von großen Orchestermessen begleitet und durch belehrende Schauspiele außerhalb des Kirchenraumes ergänzt. So sehr der barocke Mensch die Schönheit und den Glanz des Irdischen liebt, weiß er um die Einheit von Diesseits und Jenseits. Die überall gegenwärtige Darstellung des Todes und die Mahnung „memento mori“ (Denk an das Sterben) verleiht dem Barock einen tiefen Ernst, zeigt aber auch, wie sehr die Epoche durch die Hoffnung auf Erlösung bestimmt ist.

Parallel zum Barock begannen sich in der Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts die Ideen der Aufklärung zu entwickeln, die mittels der Vernunft von traditionellen Vorstellungen und Ideologien befreien wollten. Die Forderung „sapere aude“ (lat. = „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“) wird zu einem Leitspruch der Zeit, nachdem Immanuel Kant in seinem 1784 veröffentlichten Essay „Was ist Aufklärung?“ eine Definition gegeben hat: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“

Bald schon begannen aufklärerische Ideen im kirchlichen Raum Einzug zu halten. Feudalistische Ordnungen und alte Herrschaftsstrukturen gerieten ins Wanken. Die Forderung der Toleranz gegenüber allen Religionen brach die kirchlich-klerikale Monopolstellung auf, die Jenseitsbezogenheit des Barock fand in der Konzentration auf das Irdische Konkurrenz. Gelehrte durchsuchten Bibel und Theologie nach dem, was ihnen unvernünftig und widersprüchlich erschien. Vielfach blieb dabei nur ein dürrer Rationalismus übrig, in dem ein unpersönlicher Welterschaffer an die Stelle des bisherigen Gottesbildes getreten war. Während der Protestantismus in der Aufklärung viele Erneuerungsbewegungen hervorbrachte, blieb der Katholizismus den neuen Weltanschauungen gegenüber reserviert.

Als im späten 18. Jahrhundert von England aus die industrielle Revolution begann, folgte die nachhaltigste Umgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Lebens- und Arbeitsbedingungen in Europa. Durch den technischen Fortschritt, die Erschließung neuer Verkehrswege und die Erfindung neuer Maschinen veränderte sich aber auch das Los des Menschen in der Gesellschaft: Landflucht, Armut, Ausbeutung und eklatante soziale Missstände waren der Preis des technischen Fortschritts. Parallel dazu brachte die Revolution in Frankreich ab 1789 unter der Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ eine Abschaffung des feudal-absolutistischen Ständestaates, ersetzte diesen aber in der Folge durch eine Terrorherrschaft, der zahl-
lose unschuldige Menschen zum Opfer fie-len. Klöster und Kirchen wurden zerstört, Ordensleute und Priester ermordet. Aus der Kathedrale Notre Dame in Paris wurde ein Viehstall, die Marienstatue wurde durch ein Denkmal für die Göttin der Vernunft ersetzt.

Napoleon Bonaparte gelang am Ende ein bis heute wenig befriedigender Ausgleich: Er schloss 1802 mit dem Vatikan einen Vertrag, der den Katholiken freie Religionsausübung gestattete. Es blieb jedoch bei der strikten Trennung von Kirche und Staat und bei der Beschlagnahme von Kirchenbesitz. Am Ende brüskierte Napoleon die Kirche auch noch symbolisch: In Gegenwart des Papstes setzte er sich selbst die Kaiserkrone auf.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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