Kundschafter in den USA | Teil 02
Auf dem Marktplatz der Religionen

Für frischen Wind sorgen vielfältige Zuwanderer. Im Bild eine haitianische Gemeinde in Washington D. C. | Foto: Plank
  • Für frischen Wind sorgen vielfältige Zuwanderer. Im Bild eine haitianische Gemeinde in Washington D. C.
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Amerika ruft widersprüchliche Reaktionen hervor. Das gilt auch für den kirchlichen Bereich. Man könne doch unsere volkskirchliche Kultur nicht mit dem protestantisch-evangelikalen Supermarkt der Religionen in den USA vergleichen. Dennoch bekomme ich in den USA viele Impulse für die Frage: Wie können Kirchen innovativ sein?

So hat die katholische Kirche in den USA seit Jahrhunderten Erfahrungen mit einer demokratischen, wettbewerbsorientierten und pluralen Gesellschaft. Sie musste sich ohne Monopolanspruch, aber mit gesundem Selbstbewusstsein in den spirituellen Markt und gesellschaftspolitischen Diskurs einer Supermacht einbringen. Aufhorchen ließ zum Beispiel der Widerstand gegen die Aufrüstung der Reagan-Ära, gegen den Irakkrieg, die neoliberale Wirtschaftspolitik oder den menschenverachtenden Umgang mit Randgruppen.

Weniger bekannt ist ihre ökologische und multikulturelle Vorreiterrolle. In vielen Bundesstaaten waren katholische Pfarren die einzigen, die alle Rassen und Nationen vereinigten. Immer wieder sorgten Zuwanderer für frischen Wind. Ohne die vielen Immigranten aus Lateinamerika würde derzeit die Gesamtzahl sogar sinken. So aber sind Katholiken mit ca. einem Viertel der Bevölkerung die größte Einzelkirche in den USA.

CARA, das Zentrum für angewandte Apos­tolatsforschung der Georgetown Universität in Washington, untersucht seit 50 Jahren diese Entwicklungen. Im Gespräch mit der Studienleiterin Mary Gautier wird deutlich, dass es ähnliche Probleme gibt wie bei uns. Überalterung, Rückgang der Sonntagskultur und Vertrauensverlust durch den Missbrauchsskandal verursachen Kopfzerbrechen. Wie alle großen Kirchen spürt die katholische Kirche Trends wie Individualisierung, Säkularisierung und Konsumismus besonders stark. Dazu kommen „katholische“ Probleme wie der Rückgang an Priester- und Ordensberufungen, die Distanz auch kirchlich Engagierter zu manchen Moralnormen sowie der oft unfruchtbare Dauerkonflikt zwischen „Progressiven“ und „Konservativen“. Klingt irgendwie bekannt.

Die Vielfalt an Kirchen macht Katholiken sensibler für ihre Identität. Katholische Spezifika wie Papsttum oder Marienfrömmigkeit genießen ein hohes Ansehen. Langsam kommt der ökumenische Dialog auch mit traditionell katholikenfeindlichen Gemeinschaften in Gang. Viel beachtet wurde da eine Videobotschaft von Franziskus bei einer Versammlung evangelikaler Kirchen in Texas, eine revolutionäre Geste, wurde doch der Papst lange Zeit als Antichrist diffamiert.

Spirituelle Leuchttürme wie das Trappistenkloster Gethsemani, Heimat des Mystikers Thomas Merton und des aus Wien stammenden David Steindl-Rast, strahlen weit in die ganze Gesellschaft hinein.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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