Mutworte - Anna Schreiber
Ein Symptom ist noch keine Diagnose

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„In letzter Zeit bin ich manchmal richtig froh, wenn mein Mann morgens endlich aus dem Haus gegangen ist. Mich erschreckt das. Liebe ich ihn nicht mehr?“
Viele Frauen kennen das. Wenige sprechen darüber. Zunächst ereilt einen der Schrecken der Erkenntnis: Wenn er geht, geht es mir besser. Dann kommt meistens eine Verunsicherung dazu: Was bedeutet das? Und unversehens stellt sich noch Scham ein: Darf ich überhaupt so fühlen? Eine schwierige Mischung!
Die gute Nachricht für Sie: Sich dieser komplexen Gefühlssituation gewahr zu werden setzt eine hohe Kompetenz, sich selbst gut wahrnehmen zu können, voraus. Doch was nun tun damit?
Wichtig ist zunächst: Ein Symptom ist noch keine Diagnose! Also es bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Liebe gegangen oder gar die Beziehung zu Ende ist. Es kann unzählige Ursachen haben. Es kann schon sein, dass die Beziehung in einer schweren Krise ist. Es ist aber ebenso möglich, dass man selbst einfach grunderschöpft ist oder die Kinder in einer schwierigen Phase sind oder dass man nicht genug Zeit und Ruhe für sich selbst hat.
Vielleicht fassen Sie den Mut und sprechen mit Ihrem Mann darüber. Sie können ihm erzählen, dass Sie sich erschreckt haben bei Ihrer Beobachtung, dass Sie traurig wurden, dass Sie ihn gerne wieder vermissen würden. Machen Sie sich gemeinsam auf die Suche, worauf das Symptom hinweisen will. In jedem Fall bedeutet es zunächst: Innehalten.

Dipl.-Psych. Anna Schreiber
ist Psychotherapeutin in Karlsruhe.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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