Altenpastoral
„Schön, dass ihr da seid“

Gerhard Brandl ist zu Fuß etwas unsicher unterwegs, da ist es gut, wenn Seelsorger Peter Christian Ebner zur Stelle ist. | Foto: RB/ibu
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  • Gerhard Brandl ist zu Fuß etwas unsicher unterwegs, da ist es gut, wenn Seelsorger Peter Christian Ebner zur Stelle ist.
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Das Coronavirus und die Maßnahmen zur Bekämpfung haben weitreichende Folgen für Seniorenwohnheime. Einerseits ist da das geeinte Ziel, „die Alten“ zu schützen. Andererseits müssen die Bewohnerinnen und Bewohner mit einer neuen Einsamkeit zurechtkommen. In Hellbrunn in der Stadt Salzburg hat das Seelsorge-Duo Eva-Maria Wallisch und Peter Ebner vor allem während der Zeit der Isolation einiges abfedern können. Wie haben sie und die alten Menschen die vergangenen Monate erlebt? Ein Lokalaugenschein mit Gesprächen im Garten und auf Abstand zeichnet ein facettenreiches Bild.

Ausflüge, Geburtstagsfeiern oder Singstunden fallen aus. Corona hat das soziale Leben im Altenheim stark eingeschränkt. Was fehlt am meisten? Maria Zottele (81) muss nicht lange nachdenken: „Die menschliche Nähe, die ist halt gerade nicht möglich. Wir sind ja doch anderes gewohnt.“ Momentan ist sie froh, dass sie wieder selber ihre Einkäufe erledigen und ihre Runden im Garten drehen kann. Dabei kommt sie ins Sinnieren. „Ich schau mir regelmäßig die Nachrichten an. Mir tun die Leute Leid, die jetzt wegen der Pandemie arbeitslos sind. Niemand konnte so etwas erwarten.“ Gut finde sie, dass mehr über den Stellenwert der Pflege und Gesundheitskräfte gesprochen wird.

Plötzlich keine Besuche mehr

Die Coronakrise zeigte, auf welche Berufe wir am wenigsten verzichten können. Gefordert und gebraucht – besonders in den Wochen des strengen Lockdowns – waren in den Altenheimen auch die Seelsorgerinnen und Seelsorger. Doch der Zugang zu den Menschen war nicht in allen Häusern möglich; in Hellbrunn schon. „Dass wir gerade in dieser Situation als Kirche präsent sind, war ganz zentral“, ist Peter Ebner überzeugt. „Schön, dass ihr da seid.“ Diesen Satz habe er in den vergangenen Monaten oft gehört. Ähnliches berichtet Eva-Maria Wallisch. „Von heute auf morgen gab es keine Besuche von Familie, Freunden und Ehrenamtlichen mehr. Da haben wir versucht, etwas abzufangen. Ich bin mit den Leuten in den Garten. Viele können alleine nicht rausgehen, weil sie den Weg nicht finden oder im Rollstuhl sitzen. Wie ein Busunternehmen habe ich einen nach dem anderen draußen abgeholt.“ Dementen Menschen habe sie die Regeln, das Abstandhalten und das Masketragen, wiederholt erklären müssen. Wobei manche trotz Erkrankung ihre Emotionalität noch gut ausdrücken können. Eine Dame meinte: „Es ist jetzt eine ganz andere Zeit für mich. Ich bin noch mehr alleine als sonst.“ Eine andere habe sich in den Krieg zurückversetzt gefühlt. Sie sagte: „Da sind wir im Bunker gesessen, durften nicht raus und hatten auch Angst.“

Ethische Fragen stellen sich

Berührung und Mimik als Ausdrucksmittel sind im Seelsorge-Alltag Corona zum Opfer gefallen. „Das machte unsere Arbeit nicht einfacher“, bestätigt Wallisch. „Wir hatten Masken auf, sind mit Desinfektionsflaschen herumgerannt und sollten die Leute nicht angreifen.“ Doch immer wieder kam ihr jemand mit ausgestreckter Hand entgegen und wollte sie begrüßen. Andere habe der Mund-Nasen-Schutz irritiert. Sie habe versucht, mit Humor zu reagieren und die Situation zu entspannen. „Ich bin dann in einigen Metern Entfernung stehengeblieben, habe die Maske runtergenommen und gesagt: Kennst du mich eh noch?“ Neben dem Dasein für die Bewohner sei in der Phase des Lockdows auch das Begleiten von Mitarbeitern und Angehörigen wichtig gewesen. Besonders herausfordernd erlebte er die Sterbebegleitung, erklärt Ebner. An den Nerven gezerrt habe zudem irgendwann die Dauer der Ausnahmesituation. „Je länger das Besuchsverbot andauerte, desto größer wurde der Druck.“ Anrufe gestalteten sich oft schwierig, da sich viele der Hochaltrigen nicht nicht mehr gut artikulieren können oder schlecht hören. „Wir haben da über den Telefonhörer als eine Art Dolmetscher fungiert. Das war sehr berührend“, berichten die beiden Seelsorger.

Umgehen mussten sie zudem mit der ethischen Frage, ob der Sicherheit alles unterzuordnen ist. Was heißt das für Menschen mit 80, 90 oder 100 Jahren, wenn sie in der letzten Lebensphase so in ihrer Freiheit eingeschränkt sind, wenn sie Angehörige lange nicht sehen dürfen?

Heute sind Besuche längst wieder erlaubt und zu den Gottesdiensten lädt das Seelsorgeteam in die Kapelle ein. Die „alte“ Normalität sei jedoch nicht zurückgekehrt – zahlreiche Maßnahmen wie das Fieberkurve- und Kontaktlisteschreiben erinnern täglich daran: Es ist nicht vorbei.

Intensive Beziehungen

Bei ihrem Rückblick auf die vergangenen Monate sprechen die Altenseelsorger nicht nur von Belastungen. „Es sind intensivere Beziehungen mit Mitarbeitern und den Bewohnern entstanden – von einigen kenne ich nun die ganze Lebensgeschichte“, schmunzelt Eva-Maria Wallisch. Für Peter Ebner waren Ostern und zuvor die Palmweihe unvergesslich. „Wir haben kleine Palmbuschen gebunden. Die mussten zwar in Quarantäne, doch danach haben wir sie verteilt, möglichst alle 200 Bewohner sollten einen bekommen.“ Im Hof habe die Segnung stattgefunden. „Die Leute sind am Balkon gesessen und hatten ihre Freude.“ Einer, der keinen Gottesdienst und keine kirchliche Feier versäumt – „wenn mich nicht eine Unpässlichkeit hindert“ – ist Gerhard Brandl. „Der Glaube ist das Wichtigste.“ Die Coronazeit nutzte er, um sein 36. Buch zu schreiben. Der Titel: „Maria, Mutter des Erlösers und Mutter der Kirche“. Eva-Maria Wallisch unterstützte ihn. „Sie hat getippt und war so begeistert von den Texten“, freut sich der bald 90-jährige Theologe und Psychotherapeut.

Ein paar Tage auf der Alm

„Ein Leben ohne Religion, das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt auch Maria Zottele. Sie denke gerne an ihre Firmung. „Ich habe um Verstand gebetet“, lacht die Salzburgerin, die einst im Magistrat gearbeitet hat. Den Kopf schüttelt sie, wenn sie auf die Reisenden zu sprechen kommt. Sie könne nicht recht verstehen, dass die Leute unbedingt wegfliegen müssen. „Es wird wieder mehr Erkrankte geben, wenn alle zurückkommen.“ Sie selber strebt einen Tapetenwechsel in der Umgebung an. „Ein paar Tage auf der Erentrudisalm, das wäre schön“, überlegt sie und verspricht, eine Karte zu schreiben.

Altenpastoral in Coronazeiten

Die ARGE Altenpastoral der österreichischen Diözesen sowie der Diözese Bozen-Brixen hat die coronabedingten Einschränkungen für ältere Menschen reflektiert. Eine Erkenntnis ist: Ein ganzheitlicher Pflegeansatz, in dem auch die Sorge um die Seele essentiell zum Menschenbild dazugehört, ist unbedingt notwendig. Im Seniorenwohnhaus Hellbrunn hatte die Seelsorge schon vor Corona einen unbestrittenen Stellenwert. „Wir haben die Wertschätzung der Heimleitung, das zeigte sich in der Coronazeit noch deutlicher. Bei uns hieß es: Wir brauchen die Seelsorge. Andere haben nicht so entschieden“, wissen Eva-Maria Wallisch und Peter Ebner.

Ebenfalls Rückhalt kommt von der zuständigen Stadträtin Anja Hagenauer: „Es heißt so schön, der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Sein Geist und seine Seele brauchen ebenso Nahrung. Darum sind wir dankbar, dass es die Altenseelsorge gibt. In der Lockdown-Situation haben die Seelsorgerinnen und Seelsorger wesentlich dazu beigetragen, dass die Stimmung in Hellbrunn so gut war. Die Ängste und Sorgen der BewohnerInnen aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten gut aufgefangen werden. Die Seelsorge hat das Miteinander und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt, um diese schwierige Situation zu meistern.“

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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