Zur Papstenzyklika
„Ein bisschen Benefiz reicht nicht“

Seelsorgeamtsleiterin Lucia Greiner | Foto: RB/eds

Papst Franziskus ermutigt in seiner Enzyklika Fratelli tutti zu Offenheit und einem geschwisterlichen Miteinander – unabhängig von religiösen und politischen Ansichten. Wie Dialog gelingen kann und was das mit den Menschenrechten zu tun hat, erklärt Seelsorgeamtsleiterin Lucia Greiner.

RB: Papst Franziskus schreibt in Fratelli tutti oft über Offenheit gegenüber dem anderen, auch bei unterschiedlichen Ansichten. Warum ist diese Offenheit wichtig?
Greiner: Sie ist die Grundlage für den Dialog. Wenn ich nicht offen bin und zuhöre, dann fehlt die entscheidende Basis, um ins Gespräch zu kommen. Durch mein eigenes aufmerksames Zuhören komme ich in eine respektvolle Haltung.

RB: Die dann auch das Gegenüber verändert.
Greiner: Genau. Eine zweite Komponente im Dialog ist die Neugierde. Bei gesellschaftlichen Fragen geht es oft um das Ringen um Lösungsansätze. Wenn ich nicht offen und neugierig bin, was der andere zu sagen hat, dann werde ich nie einen neuen Blick auf die Dinge bekommen.

RB: In Fratelli tutti wendet sich Franziskus an alle Menschen. Warum tut er das, obwohl er nur das Oberhaupt der katholischen Kirche ist?
Greiner: Als Papst ist Franziskus der Erste in der katholischen Kirche, aber insgesamt hat das Papstamt auch in der Welt ein besonderes Ansehen, ähnlich wie die Stellung des Dalai Lamas. Mit der Ausrichtung auf alle Menschen hat er sich seiner Bildgewalt als Persönlichkeit der Welt bedient, um alle für die Botschaft der Brüderlichkeit zu sensibilisieren.

RB: Wo werden Ihrer Meinung nach die Anliegen der Enzyklika in der Erzdiözese bereits gelebt?
Greiner: Im Blick auf die Pfarre möchte Fratelli tutti mitgeben: Es geht um das ganze Territorium und nicht nur um die Personen, die mir sympathisch sind. Ein bisschen Benefiz im innerkirchlichen Bereich reicht nicht. Viele Pfarren in der Erzdiözese sind schon auf einem guten Weg, sind offen für die vielen verschiedenen Menschen und Anliegen. Andere Pfarren kann man noch aus der warmen Stube herauslocken.

RB: In Salzburg wird die Bettlerfrage immer wieder diskutiert. Was kann man im Kontext von Fratellit tutti dazu sagen?
Greiner: Das Entscheidende ist die Erkenntnis, dass die Armut nicht verschwindet, nur weil man die Bettler nicht mehr in der Stadt sieht. Die Diskussion um die Bettler ist nur im Zuge einer internationalen Zusammenarbeit lösbar. Das Friedensprojekt EU ist in dieser Frage von großer Bedeutung. Fratelli tutti sagt, dass wir uns besser vernetzen und brüderlich zusammenarbeiten müssen. Wir sollen über die Grenzen hinausschauen und uns die Frage nach dem Respekt gegenüber allen Menschen stellen.

RB: Oft blendet man ja aus, dass alle Menschen die gleiche Würde haben.
Greiner: Ja, wir müssen uns konkret fragen: Wer bekommt unseren Respekt und wer hat welchen Zugang zu den Menschenrechten? Das ist eine fundamentale Frage, gerade im Hinblick darauf, dass Salzburg eine Menschenrechtsstadt ist. Wir sollten um eine gesunde Balance ringen: Wie kann es gelingen, dass diese Menschen zum einen da sein dürfen, und zum anderen friedlich mit der Stadtbevölkerung zusammenleben?

RB: Leistet die Kirche in diesem Bereich auch schon einen Beitrag?
Greiner: Auf jeden Fall. Es gibt einige Projekte, bei denen es darum geht, dass Obdachlose möglichst wenig auf der Straße übernachten müssen und stattdessen eine Unterbringung haben. So haben sie gerade im Winter Schutz vor dem Erfrieren und es kommt zu weniger Ärgernissen. Durch Streetwork sind wir im Kontakt mit den Menschen und das ist ja ein großes Anliegen der Enzyklika.

RB: Was nehmen Sie ganz persönlich aus der Enzyklika für Ihren Alltag mit?
Greiner: Vor allem Freude an der Arbeit. Das heißt für mich, kreativ und über meinen Tellerrand hinaus zu denken, und unsere gute Nachricht zu den Leuten zu bringen, auch und gerade in der von Fratelli tutti erwähnten sozialen Dimension.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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