Fernfahrerseelsorge
Ohne sie steht alles still

Gespräch mit einem Fernfahrer auf einem Rastplatz am Walserberg. Die Trucker sind freundlich und erstaunt: Jemand bedankt sich und hört zu – das erleben sie nicht sehr oft. | Foto: RB/privat
  • Gespräch mit einem Fernfahrer auf einem Rastplatz am Walserberg. Die Trucker sind freundlich und erstaunt: Jemand bedankt sich und hört zu – das erleben sie nicht sehr oft.
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Die Anerkennung als „Versorger der Nation“ zu Beginn der Coronapandemie ist längst wieder gewichen. Die Arbeitsbedingungen der Fernfahrer sind kaum Thema in der Gesellschaft. Dabei gilt: Ohne sie steht alles still, sind die Supermarktregale leer. Die Betriebsseelsorge der Erzdiözese nimmt sich ihrer Sorgen und Hoffnungen an.

„Es ist einfach, mit einem Klick im Internet für 29 Euro bei einem Online-Riesen versandkostenfrei zu bestellen. Gedanken, auf wessen Kosten das so billig geht, macht sich kaum jemand“, sagt Heiner Sternemann. Der Betriebsseelsorger startet in der Erzdiözese nun die Fernfahrerseelsorge.

Das erste „Rausgehen“ fand bereits statt – auf einen Rastplatz am Salzburger Walserberg. Mit den Männern ins Gespräch zu kommen sei nicht schwierig. „Sie reden über alles Mögliche: ihre Sehnsucht nach der Familie, die sie oft nur alle paar Monate sehen, aber auch religiöse Themen. Ein Vater erzählte stolz, dass er mit dem Fahren das Studium seines Sohnes finanziert.“ Hemmschuh für die Gespräche ist zum Teil die fehlende gemeinsame Sprache. Die Fahrer kommen hauptsächlich aus der Türkei, Osteuropa und den Balkanstaaten. „Dass ich serbokroatisch verstehe, macht es mir leichter“, erzählt Sternemann. Sein Hauptanliegen bringe er sowieso mit wenigen Worten an den Mann: „Danke, du bist für uns unterwegs. Wir als Kirche interessieren uns für deine Lebens-und Arbeitssituation.“

„Kirche für Fernfahrer“ in St. Virgil

In Deutschland ist die Fernfahrerseelsorge als Teilauftrag der Betriebsseelsorge längst etabliert. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Kirche für Fernfahrer“ trafen sich vor kurzem im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil, um den österreichischen Kolleginnen und Kollegen Starthilfe zu geben. „Der Fahrerberuf ist seit den 90er-Jahren immer prekärer geworden. Die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen treiben uns um und auf die Autobahn und die Parkplätze“, berichtet Pastoralreferent Norbert Jungkunz aus Bamberg.

„Wenn wir ein Gespräch anfangen, sagen wir zunächst einmal danke. Das hören die Fahrer sowieso viel zu selten. Dann geht es darum, direkt und ungefiltert zu erfahren, was sie bewegt und was sie hoffen. Zusammengefasst möchten die Trucker vor allem eines: Der Wettbewerbsdruck soll nicht auf ihren Rücken ausgetragen werden.“ Bei den Seelsorgern können die Fahrer etwas von ihrer persönlichen Last abladen. Die „Kirche für Fernfahrer“ versteht sich darüber hinaus als Fürsprecher und setzt sich für faire Bedingungen auf dem Arbeitsplatz Straße ein: Löhne, von denen die Leute und ihre Familien gut leben können oder Gesundheitszentren an den Logistikknotenpunkten.

Der heuer beschlossene EU-Mobilitätspakt soll für rund 3,6 Millionen Lkw-Fahrer bessere Zeiten bringen. Die Betriebsseelsorger sehen zumindest einen Teil der Maßnahmen unter dem Motto „gut gemeint, aber nicht umsetzbar und kontrollierbar“. So dürfen Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit nicht mehr im Lkw verbringen. „Das heißt sie müssen ihr Fahrzeug und die Fracht allein lassen. Haften sie dann, wenn etwas gestohlen wird? Gibt es genügend Schlafunterkünfte? Wer zahlt dafür?“ Das seien die Fragen, die den Betroffenen unter den Nägeln brennen. Praktikabler wäre es nach Ansicht der Betriebsseelsorger, an einer verbesserten Kabinen- und Rastplatzausstattung zu schrauben und auf Firmenkosten verpflichtend eine Dusche und ein Essen am Tag zu finanzieren.

Fernfahrerseelsorge ist ökumenisch

Die Fernfahrerseelsorge koordiniert Sternemann ökumenisch und länderübergreifend. Mit im Team sind der evangelische Pfarrer von Freilassing, Jürgen Henrich, und der katholische Betriebsseelsorger von Rosenheim, Alexander Kirnberger. Geplant sind regelmäßige Abstecher auf die Parkplätze. „Wir haben kleine Holzkreuze und die von den deutschen Kollegen gestaltete ,Fahrerbibel‘, die wir den Fahrern mitgeben, wenn sie wollen.“ Ehrenamtliche Mitarbeitende, die slawische Sprachen oder Türkisch können, sind sehr willkommen. Weitere Schritte sind die Vernetzung mit Polizei, Gewerkschaft sowie Bürgermeistern von Gemeinden mit Rastplätzen.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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