„Ich versuche, die Wolken zu zerreißen“

Thomas Brezina will das strahlende Kind in sich selbst entdecken.    | Foto: LukasBeck
  • Thomas Brezina will das strahlende Kind in sich selbst entdecken.
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Über 570 Bücher hat Thomas Brezina bereits geschrieben. Warum er jetzt ein Bibelbuch herausbringt, wie er anderen Menschen Mut zusprechen will und was für ihn das Vatikan-Nein zur Segnung von homosexuellen Menschen bedeutet, erzählt er im Interview mit der KirchenZeitung.

Sie streichen in ihren öffentlichen Äußerungen gerne den Wert des positiven Denkens in der Coronapandemie heraus. Finden Sie diese optimistische Lebenseinstellung auch in der Bibel bzw. im Christentum wieder?
Thomas Brezina:
Ich glaube, dass das Christentum sehr viel Positives hat. Die Bibel gibt viele gute bildhafte Beispiele, mit denen man vieles viel leichter verstehen und umsetzen kann für ein erfülltes Leben. In der Bibel steht viel, was wir alle gerade jetzt brauchen können.

Wie sind Sie mit Glauben und Religion aufgewachsen?
Brezina: Weil meine Eltern beide berufstätig waren, hat am Nachmittag eine Frau auf mich aufgepasst, die sehr gläubig war und die mir aus ihrem persönlichen Erleben erzählt hat, das hat mich besonders berührt. Geprägt hat mich auch, dass mein Vater ein richtiger Humanist war, und die Werte, die er vertreten hat, waren sehr christliche, ohne dass er sie so genannt hätte. Er hat diese Werte vor allem gelebt, und das lebende Beispiel ist der beste Lehrmeister.

Sind Sie als Kind gerne in die Kirche gegangen?
Brezina:
In die Kirche bin ich, wenn ich ganz ehrlich bin, als Kind nicht gern gegangen.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich die Bibel als Buchprojekt vorgenommen haben?
Brezina:
Ein Anlass war, dass eine Freundin eine Bibel für ihre kleine Tochter geschenkt bekommen hat. Diese Freundin hat mir nachher erzählt, dass sie begeistert war und sich gefreut hat, gemeinsam mit ihrer Tochter die Kinderbibel zu lesen.
Ihre Tochter hat aber dann eine Frage nach der anderen gestellt, die meine Freundin nicht beantworten konnte, und schließlich haben sie aufgehört zu lesen. Und da habe ich mir gedacht, das kann es doch nicht sein.

Was wollten Sie anders machen?
Brezina:
Wer die Bibel in Reimen liest, soll die Kraft der Geschichten vermittelt bekommen und sie gleichzeitig wirklich verstehen und begreifen können. Mein Anspruch war, dass man durch die Lektüre bestärkt wird, Halt und Zuversicht findet, was gerade in Zeiten wie diesen wichtig ist.

Warum die Reimform?
Brezina:
Ich erkläre die Dinge gerne in Reimform, weil ich daraufgekommen bin, dass man sich dadurch auf die Kernaussagen von allem konzentrieren kann. Die Bibel in Reimen war ja zuerst für Kinder gedacht, aber im Entstehungsprozess kamen auch von Erwachsenen sehr gute Rückmeldungen.

Sie sind in jungen Jahren aus der Kirche ausgetreten. Der Grund war der Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität. Jetzt hat der Vatikan jüngst in einem Dokument die Segnung homosexueller Paare abgelehnt. Bringt Sie das – als jemand, der mit einem Mann verheiratet ist – wieder ein Stück weiter weg von Kirche und Glaube?
Brezina:
Da müssen wir etwas auseinanderhalten. Wie ich es erlebe, wird im Christentum keiner ausgeschlossen. Wie das jetzt manche Kirchenvertreter in der katholischen Kirche interpretieren, ist eine andere Sache. Mein Glaube wird davon nicht beeinflusst. Ich finde es aber schade und ich finde es gesellschaftlich nicht gut. Aus meiner Sicht ist das Christentum wesentlich liebender, als es von manchen ausgedrückt wird. Der Kern der christlichen Lehre ist lebens- und liebesbejahend, und das ist das Wichtigste für mich.
Eines muss ich dazu aber noch ergänzen: Mein Leben hat sich für mich verändert, als meine Tiroler Ersatzgroßmutter, die eine tiefgläubig katholische Tirolerin ist, mich bei jedem Telefonat gefragt hat, wie es meinem Mann geht. Dadurch habe ich gewusst, es schaut manches ganz anders aus für die Leute.

Was würde es brauchen, damit Sie wieder in die Kirche eintreten?
Brezina:
Ich fühle mich dem Christentum sehr verbunden, dafür muss ich nicht einer Kirche angehören.

Ein Team um Wiens Dompfarrer Toni Faber steuerte die Expertise für Ihr Bibelbuch bei. Welchen Eindruck von Kirche haben Sie durch diese Arbeit gewonnen?
Brezina:
Ich habe eine offene Kirche erlebt. Mit dem Toni Faber bin ich ja schon länger in Kontakt, da habe ich das schon vorher so gekannt, im Stephansdom und auch von anderen Kirchenvertreten fühle ich mich angenommen und nicht ausgegrenzt.

Sie haben gesagt, dass Ihr Bibel in Reimen Buch auch bei Erwachsenen gut ankommt. Ist das generell so, dass ein gutes Kinderbuch meistens auch Erwachsene genauso anspricht?
Brezina:
Ja, das kann man absolut sagen. Es gibt aber noch einen anderen Vergleich. Ich habe viele Wissenssendungen im Fernsehen gemacht, wie zum Beispiel den Forscherexpress. Das Ergebnis war dort, dass wir unglaublich viele erwachsene Zusehern hatten und die Rückmeldung war oft, jetzt habe ich das verstanden was ich in der Schule nicht verstanden habe. Und damit war es für beide Seiten Erwachsene und Kinder ein Aha-Erlebnis.


Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Brezina:
Ja, absolut und ich bete viel. Das Gebet ist für mich eine Form der Meditation, eine innige Art mit sicher selber ins Reine zu kommen und für sich selber Klarheit zu gewinnen, damit man die nächsten sicheren Schritte setzen kann. In Zeiten, in denen es drunter und drüber geht, sorgt das Gebet bei mir für Beruhigung und in guten Zeiten kann ich meine Dankbarkeit ausdrücken.


Bald ist Ostern. Glauben Sie an die Auferstehung?
Brezina:
Auferstehung ist ein Bild das auf so vieles zutrifft. Jedes Jahr gerade zur Osterzeit gibt es die Auferstehung in der Natur, es geht weiter und weiter und weiter. An die Auferstehung zu glauben, der beruhigende Gedanke des ewigen Lebens ist eine große Kraft aus der man schöpfen kann. Das ist für mich das Wesentliche.

Hadern Sie manchmal mit Gott? Etwa jetzt in Zeiten der Pandemie, sodass Sie sich fragen, wieso um Himmels Willen muss das so sein?
Brezina:
Ich habe nicht den Glauben, das Gott dafür verantwortlich ist, für uns alles wunderbar zu machen. Es gibt einen freien Willen des Menschen, ein Gestalten des Menschen, es gibt etwas, das nach wie vor Schicksal ist. Gott gibt Kraft, mit all dem besser fertigzuwerden.

Sie wollen mit Ihren Büchern und gerade mit ihren jüngsten Ratgeberbüchern und dem Bibelbuch Mut zusprechen. Was ist dabei Ihr Antrieb?
Brezina:
Dass ich für andere inspirierend sein möchte, liegt auch an den Zeiten, in denen ich sehr unzufrieden war. Obwohl eigentlich rundherum alles so gut gelaufen ist, war ich nicht glücklich. Damals habe ich entdeckt, dass es wirklich darauf ankommt, wie ich mein Leben sehen möchte.
Und das prägendste Erlebnis dabei war, dass ich Kinderfotos von mir gesehen habe, und auf allen Fotos strahle ich nach allen Regeln der Kunst. Da habe ich mir gedacht: Moment! Dieser Mensch ist nicht weg, das mag überlagert sein, wie die Sonne von Wollen verdeckt ist, aber der ist nicht weg. Also kümmere ich mich darum, dass ich die Wolken zerreiße.

Ist jeder seines Glückes Schmied?
Brezina:
Nein, so würde ich es nicht sagen. Aber es ist jeder fähig, sein Leben selbst zu gestalten in seinem eigenen Umkreis. Das heißt nicht, dass dadurch alles weggeht was uns nicht gefällt und was unangenehm ist. Bevor ich aber in einer Situation erstarre und nur noch verzweifelt bin und mit dem Schicksal hadere, finde ich es wesentlich besser Gedanken zu suchen, die Kraft geben und die beruhigen und vor allem zu gestalten. Es wird nicht alles zum Verschwinden bringen. Das ist nicht möglich, es geht vielmehr um den Umgang damit.

Die Coronapandemie dauert länger, als wir geglaubt haben. Wie geht es Ihnen persönlich damit?
Brezina:
Ich versuche, dem allen im Moment möglichst neutral gegenüberzustehen. Ich bin voll damit beschäftigt, den heutigen, den morgigen Tag und die nächste Woche zu gestalten. Und das tue ich, so gut es irgendwie geht. Ich stehe dazu, dass mich die ganze Situation zeitweise wirklich belastet. Immer fröhlich sein ist für mich unmöglich. Ich muss auch sagen, kennen Sie einen Menschen, der in der jetzigen Situation ehrlicherweise überhaupt kein Problem hat? Ich nicht. Außer die, die so tun, und ich glaube es ihnen nicht. Also ich glaube, es ist für jeden schwer.

Sie haben einen Zweitwohnsitz in London. Dorthin zu reisen, ist derzeit wohl kaum möglich für Sie.
Brezina:
Seit einem Jahr nicht und vor Herbst rechne ich auch nicht damit.

Auch nicht so, dass Sie sagen, ich flieg mal rüber, weil dort schneller geimpft wird?
Brezina:
Dazu muss ich erst reinkommen, weil die Briten erst recht eine Impfung verlangen für die Einreise, und wenn ich die nicht habe, muss ich zu Hause in London zwei Wochen in Quarantäne sitzen. Dann bleibe ich gleich viel lieber da in Wien.

Sie haben ja auch einmal empfohlen, nicht zu viele Coronanachrichten zu konsumieren. Halten Sie sich derzeit daran?
Brezina:
Wenn ich auf Schlagzeilen schaue, gibt es gewisse Sachen, wo ich sofort sage, ich will nicht mehr, stopp aus. Das halte ich für sehr wichtig. Ivo, mein Mann, liest jede Woche eine englische Zeitung. Und der hat neulich wieder gesagt: ,Unglaublich, jede Schlagzeile hat mit Corona zu tun.‘ Endlich kommt er auf der Kulturseite zu einem Beitrag, in dem es scheinbar nicht um Corona geht, und in der zehnten Zeile steht ein Zitat: ,Nicht einmal Corona wird mich stoppen.‘

Man braucht schon eine Zeit, in der man die momentane Lage ausblenden kann?
Brezina:
Wissen Sie was? Ich habe meinen Schreibwagen in meinem Garten und wenn ich vom Haus hergehe, bleibe ich stehen und schaue mich um: Ich sehe die Primeln und die Veilchen und die Sonne ist da. Da gebe ich mir drei Minuten, in denen ich das nur inhaliere, weil das zeigt einem, das Leben geht weiter, für die Natur geht es weiter. Alles erwacht wieder, das halte ich für doppelt und dreifach wichtig, das bewusst zu sehen. «

Bibel in Reimen

- Die Geschichten der Bibel erzählt Thomas Brezina in einer klaren, prägnanten und sehr verständlichen Weise, was die Kraft der frohen Botschaft spürbar werden lässt. Das im Wiener Joppy-Verlag erschienene Buch umfasst 368 von Pablo Tambuscio illustrierte Seiten und kostet rund 25 Euro.

Zur Person

Thomas Brezina

Geboren am 30. Januar 1963 in Wien. Seine 570 Bücher, die in mehr als 35 Sprachen übersetzt wurden, verkauften sich mehr als 70 Millionen Mal. Er veröffentlichte zu Beginn der Pan­demie ein kostenlos verfügbares Corona-Tipp-Buch. Brezina ist auch TV-Produzent und TV-Moderator, u.a. verantwortlich für das Kinderprogramm des ORF, und ausgezeichnet mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich. Er engagiert sich für benachteiligte Kinder und ist seit 1996 offizieller Botschafter von UNICEF Österreich. Thomas Brezina ist mit Ivo, einem Maler, verheiratet.

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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