Interview mit Generalvikar Eduard Gruber
„Wir haben einen guten Weg beschritten“

Generalvikar  KR Mag. Eduard Gruber | Foto: Sonja Planitzer

Nach zwölf Jahren als Generalvikar der Diözese St. Pölten übergibt KR Mag. Eduard Gruber mit neuem Jahr sein Amt an den derzeitigen Kremser Pfarrer DDr. Christoph Weiss. Im „Kirche bunt“-Interview blickt er auf die vergangenen zwölf Jahre zurück, spricht über sein Amt, die größte Überraschung, über die Herausforderungen, die es zu bewältigen galt und gilt und darüber, was er seinem Nachfolger und der gesamten Diözese wünscht.

Über zwölf Jahre waren Sie Generalvikar der Diözese St. Pölten. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf diese Jahre zurück?
Generalvikar KR Mag. Eduard Gruber: Mit großer Verwunderung, weil es funktioniert hat. Ich habe nie ein Amt oder eine Aufgabe in meinem Leben angestrebt und am allerwe­nigsten habe ich den Generalvikar angestrebt. Ich habe, als das Amt damals an mich herangetragen wurde, mir Bedenkzeit erbeten und mit einer Reihe von mir wichtigen Leuten darüber geredet, die mir alle dazu rieten, das Amt anzunehmen. Nach zwölf Jahren kann ich sagen: Es hat funktioniert.

Welche Fähigkeiten muss ein Generalvikar, abgesehen von der fachlichen Kompetenz, ins Amt mitbringen?
Gruber: Ich denke, zuallererst die Bereitschaft und Fähigkeit, zu lernen. Und lernen funktioniert – zumindest bei mir geht es so –, indem ich mich auf eine Aufgabe und auf die damit verbundenen Menschen einlasse. Das ist ein dialogischer Prozess, wo es um das Miteinander geht. Auch das Eingestehen, dass etwas nicht richtig war, ist keine Schande. Sich aufmerksam machen zu lassen und darauf zu reagieren, ist nur gut.

Was war Ihnen im Amt besonders wichtig?
Gruber: Vertrauen in die Menschen, die mir anvertraut waren. Wenn ich einen Mitarbeiter ernst nehme, dann heißt das für mich primär, dass ich diesem Menschen vertrauen können muss. Die Sachkompetenz ist eine Grundlage für das Vertrauen, aber ich muss diesem Menschen auch als Person vertrauen können, dass er seine Sache so gut er es vermag, macht. Eine Grundeinstellung für mich war auch, dass ich jemandem, der einen Blödsinn gemacht hat – da spreche ich jetzt nicht von Missbrauchsfällen –, eine Chance gegeben habe. Es galt, die Sachen auf den Tisch zu legen, Mitverantwortliche zu informieren, und dann zu schauen, wie es weitergehen kann.

Kommt die Seelsorge, wenn man Generalvikar ist, zu kurz?

Gruber: Wenn man die Seelsorge mit der Pfarrseelsorge gleichsetzt, dann ist es tatsächlich nicht mehr das, was man als Pfarrer hatte. Aber das ist ja nicht die einzige Form von Seel­sorge, sondern es gab auch eine Verantwortung für die Menschen, für die ich in der Administration da sein musste. Da gab es z. B. die Frage, wie gehe ich mit den Menschen um, wenn ich Strukturen planen muss. Bei allen strukturellen Fragen waren mir die Menschen – die Priester und die Gläubigen in der Gemeinde – wichtiger als die Struktur.

Was war für Sie in all den Jahren das Überraschendste?
Gruber: Immer wieder das große Engagement der Menschen in den Pfarren! Mir war es wichtig, viel in den Pfarren vor Ort präsent zu sein – also für Aushilfen und alles, was damit zusammenhängt. Sonntag für Sonntag, Feiertag für Feiertag. Es waren ganz wenige Anlässe, wo ich im Dom gestanden bin. Da war für mich positiv überraschend, wie viel Engagement es in den Pfarren gibt, vor allem in kleinen Pfarren.

Eine Kritik, die in vielen Diözesen immer wieder zu hören ist, lautet, dass die Diözesanleitung weit weg von den Pfarren ist. Haben Sie das auch gehört?
Gruber: Es freut mich, dass diese Kritik über die Jahre hinweg zurückgegangen ist. Ich führe das auch auf meine starke Präsenz in den Pfarren zurück – ich war nicht nur zur Aushilfe in den Pfarren, sondern ich versuchte auch präsent zu sein, wenn es Probleme gab. Da gilt mein großer Dank auch den Regionalbegleitern, die zwar zu den Pastoralen Diensten gehören, aber für mich ganz wichtige Mitarbeiter waren, vor allem wenn es um Veränderungen gegangen ist.

Apropos Veränderungen. Es gab auch mitunter Kritik, dass es in der Diözese keinen Pastoralplan oder Strukturplan gibt. Wie sehen Sie das?
Gruber: Das stimmt nur bedingt. Wir haben vor allem im Waldviertel dank Franz Mollner einen sehr ausgeklügelten Strukturplan erarbeitet. Im Mostviertel haben wir erst angefangen, Dinge zu entwickeln, aber wir sind da auf einem guten Weg.

Das Ende Ihrer Amtszeit fällt in die Corona-Krise. Wie haben Sie die damit zusammenhängenden Herausforderungen erlebt?
Gruber: Wir haben uns im Krisenstab der Diözese bemüht, die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen – und die mussten im Einklang mit den Vorgaben der Bischofskonferenz und der Regierung sein. Ich habe auch in dieser Zeit immer wieder ausgeholfen – zuletzt in den Pfarren St. Andrä oder in Zeiselmauer. Dort habe ich wieder dieses unglaubliche Engagement von Ehrenamtlichen erlebt und wie Männer und Frauen sich wie selbstverständlich um eine würdige Gestaltung der Messe bemühen. Wenn ich dann auf der anderen Seite Priester erlebe, die sagen: ,Es ist Corona, es kommt eh niemand …!‘ – das tut weh! Aber ich gehe davon aus, dass im größeren Teil der Pfarren das nicht so gesehen wurde und wird.

Wie haben sich die Herausforderungen im Laufe der Zeit für die Diözese gewandelt?
Gruber: Die Herausforderungen waren groß, als ich angefangen habe und sie sind, vorsichtig formuliert, nicht kleiner geworden. Ich denke aber, es hat sich auch manches positiv entwickelt. Wir haben einen Priestermangel, der lange absehbar war und der vielleicht allzulange nicht ernst genug genommen wurde. Man hat sich beholfen mit Priestern nicht-österreichischer Herkunft – und für die große Mehrzahl, die zu uns in die Diözese gekommen sind, bin ich sehr dankbar. Die Diözese wird sich auch in Zukunft bemühen, gute Priester zu bekommen. Aber mindestens ebenso wichtig sind und werden Kooperationen von Pfarrgemeinden, also Pfarrverbände. Es geht darum, keine Pfarre aufzulösen, sondern die Kirche im Dorf zu lassen.

Es gilt also, mehr Laien in die Pfarrleitung einzubinden?

Gruber: Unbedingt, auch wenn ich hier nicht von Laien, sondern von den zum Volk Gottes Gehörenden sprechen würde. Was mein großes Anliegen ist: Wir müssen den Leuten helfen, ihre Taufberufung zu entdecken. Da geht es nicht um ein ehrenamtliches Engagement wie in Vereinen, sondern aufgrund der Taufe hat jede Christin/jeder Christ auch die Berufung mitzuarbeiten. Eine Berufung, die kein Pfarrer oder Bischof übertragen braucht oder kann, sondern das ist eine Berufung, die im Getauftsein wurzelt. Das zu entdecken und aus dem heraus agieren zu lernen – das ist vielleicht die größte und wichtigste Aufgabe, wenn es um Zukunftsbewältigung geht.

Wie kann man das als Kirche schaffen, dass man diese Berufung bei den Katholiken bewusst macht?
Gruber: Ich kann das z. B. mit einer guten Verkündigung bewusst machen. Bei der Verkündigung sind nicht nur Priester in der Verantwortung, sondern auch andere hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir können schon lange nicht mehr jeden Sonntag in jeder Gemeinde die Eucharistie feiern. Wir haben Gott sei Dank als Alternative die Wortgottesfeier entwickelt, die in der Regel gut angenommen wird und die von den dazu beauftragten Männern und Frauen mit großer Gewissenhaftigkeit und großer Liebe wahrgenommen wird. Schon eine ganze Reihe von Diözesen, wie z. B. in Südtirol Brixen, haben als Grundprinzip festgehalten, dass sich die Gemeinde versammeln soll, um den Sonntag in der Form zu feiern, in der es ihr möglich ist. Bevorzugt und im Idealfall ist das die sonntägliche Eucharistiefeier, das kann aber, wenn das nicht möglich ist, auch eine Wortgottesfeier sein. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang aber auch zu betonen: Wenn jemand am Sonntag die Messe feiern will und in seiner Pfarre ist das nicht möglich, dann soll er woanders hinfahren können, ohne dass er in seiner Pfarre als superfromm oder bigott angeschaut wird. Umgekehrt müssen die Leute aber auch akzeptieren, dass die, die vor Ort bleiben und sich dort versammeln, nicht deswegen Halbheiden sind.

Wie kann man die Menschen heute wieder näher zur Kirche bringen?

Gruber: Ich glaube nicht, dass man die Leute in die Kirchen bringen muss oder näher zur Kirche bringen muss, sondern es geht darum, dass wir zusammen mit ihnen entdecken, wo Gott über­all eigentlich wirkt, denn er ist weit breiter und vielfältiger am Werk, als viele denken.

Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?

Gruber: Ich bleibe im Domkapitel und damit im Konsis­torium und bleibe damit weiter in der Mitverantwortung für die Geschicke der Diözese. Ich freue mich über gewonnene Zeit, weil ich keine neuen zusätzlichen Aufgaben übernehmen werde. Ich werde wie bisher einspringen und aushelfen in den Pfarren, dort wo immer es notwendig ist. Und ich werde mich biblischen Studien zuwenden und wieder mehr da hinein vertiefen. Das eine oder andere wird dann hoffentlich auch fruchtbar werden können in der Erwachsenenbildung oder Klerusfortbildung oder bei Dekanatskonferenzen.

Was wünschen Sie dem neuen Generalvikar?
Gruber: Ein hohes Maß an Offenheit im Zugehen auf Menschen. Ich weiß, das kann er! Ich kenne ihn doch schon einige Jahre. Und ich wünsche ihm ein gutes Hinhören. Die Fähigkeiten und Talente bringt er mit!

Und welchen Wunsch haben Sie für die Diözese?
Gruber: Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren wieder einen guten Weg beschritten. Das ist das Verdienst sehr vieler Menschen – sowohl in der Leitung in der Diözese, aber auch in den Pfarren und ich würde mir wünschen, dass alle, die Verantwortung tragen, dazu beitragen, dass dieser Weg gut weiter entwickelt werden kann. Da sage ich im Blick auf Weihnachten: Wenn wir Weihnachten von allen Klischees entkleiden, geht es um die Mensch­werdung Gottes in diesem Kind von Betlehem, das ja kein kleines Kind bleibt, sondern nach Jahrzehnten am Kreuz endet. Deshalb gehören für mich Krippe und Kreuz immer zusammen. Es geht um Menschwerdung und darum wünsche ich mir nichts anderes, als dass wir alle miteinander und bei allem, was wir tun, immer mehr Mensch werden. Menschen werden, nach dem Bild Gottes, Menschen des Miteinanders, des Füreinanders. Menschen der Hingabe. Weil, das zeigt auch Weihnachten, Leben kommt nicht aus dem Festhalten, sondern Leben kommt aus der Hingabe – das feiern wir und das ist, was ich mir wünsche.

Zur Person

KR Mag. Eduard Gruber wurde 1952 in Weißenkirchen in der Wachau geboren. Nach der Matura an der HTL in Krems trat er 1972 ins Pries­terseminar St. Pölten ein, wo er Theologie studierte. Bei einem Externjahr in Israel (Dormitio Abtei) vertiefte er seine Liebe zur Heiligen Schrift und zum Land der Bibel. 1979 wurde er zum Priester geweiht. Als Kaplan wirkte er in Ybbs, Schrems und Krems St. Veit. 1982 begann Eduard Gruber am Bibelinstitut in Rom sein Bibelstudium, wo er 1985 das Lizentiat in den Bibelwissenschaften „summa cum laude“ erwarb. Nach Stationen u. a. als Rektor im Bildungshaus St. Hippolyt und Pfarrer in der Pfarre Krems St. Veit wurde er mit 1. September 2008 zum Generalvikar der Diözese St. Pölten berufen. In dieser Funktion war er u. a. auch Herausgeber von „Kirche

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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