Interview mit DDr. Karl Lengheimer
„Unser Ziel ist, dass die Christen im Heiligen Land bleiben“

DDr. Karl Lengheimer | Foto: Wolfgang Zarl

Vom 24. bis 26. September findet in der Diözese St. Pölten die feierliche In­vestitur des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem statt. Im „Kirche bunt“-Interview spricht der leitende Komtur, DDr. Karl Leng­heimer, über die Investitur, die Aufgaben des Ritterordens und die Christen im Heiligen Land.

Vom 24. bis 26. September findet die Investitur der Grabesritter auf Einladung der Komturei St. Pölten statt. Was erwartet uns da in St. Pölten, Krems und in Stattersdorf?
DDr. Karl Lengheimer: Die Investitur ist die feierliche Aufnahme neuer Mitglieder in den Orden – diese findet jedes Jahr in einem anderen Bundesland statt und heuer trägt die Komturei St. Pölten die Investitur aus. Diese beginnt am Abend des 24. September mit einer Vigil im St. Pöltner Dom, am Samstag folgt die Investitur im „Dom der Wachau“ in Krems. Den Abschluss bildet stets ein Gottesdienst am Sonntag mit einer Pfarrgemeinde – und das ist heuer in der Millenniumskirche in Stattersdorf bei St. Pölten. Ich möchte hier auch allen Pfarren für die Gastfreundschaft danken – das ist nicht selbstverständlich.

Der Ritterorden hat eine lange Tradition. Warum wurde er gegründet?

Lengheimer: So alt, wie man glauben mag, ist der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem eigentlich gar nicht. Unser Orden wurde in seiner heutigen Form im 19. Jahrhundert von Papst Pius IX. installiert. Anlass war, dass man neben den Franziskanern, die noch heute eine wichtige Rolle im Heiligen Land spielen, auch ein Lateinisches Patriarchat in der Region verankern wollte. Dieses sollte sich, wie eine Diözese, um die dortigen Pfarreien kümmern und diese leiten. Zur Unterstützung des Patriarchats wurde der Ritterorden berufen.

Und was ist die Aufgabe des Ritterordens?
Lengheimer: Die Aufgabe war und ist die Unterstützung der Christen im Heiligen Land und gleichzeitig die Untertützung des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem – das gilt bis heute, denn die Sorge der Kirche und des Ordens ist, dass im Land, in dem Jesus Christus gelebt hat, einmal keine Christen mehr sein könnten.

Angesichts der Situation in der Region scheint diese Sorge nicht unberechtigt. Wird es einmal ein Heiliges Land ohne Christen geben?

Lengheimer: Wir hoffen, dass das nicht der Fall sein wird. Aber das ist eine Hoffnung, die sehr davon abhängt, was wir aufbringen und wie wir helfen können. Wir sind zwar ein Orden, der in vielen Ländern der Welt vertreten ist, aber im gesamten Getriebe sind wir nur ein kleines Rädchen. Dennoch sind unsere Hilfen möglicherweise entscheidend, dass es auch weiterhin Christen im Heiligen Land gibt. Das sollte übrigens ein Anliegen aller Christen sein, nicht nur des Ritterordens.

Wie stellt sich die Situation der Christen heute in Israel dar?
Lengheimer: Die palästinensischen Chris­ten sind in einer sehr schwierigen Lage. Sie sind in einer ,Sandwichposition‘ einerseits zwischen den Juden, der religiösen Hauptgruppe der im Staat Israel lebenden Menschen, und auf der anderen Seite der in den palästinensischen Gebieten lebenden Muslime. Die Christen vor Ort sind mit repressiven Maßnahmen konfrontiert – auch wenn diese niemals vergleichbar sind mit jenen Staaten, wo die Christen wirklich an Leib und Leben bedroht sind. Die palästinen­sischen Christen kämpfen um Arbeitsplätze, um die Möglichkeit für Ausbildungen etc. Der Orden hat deshalb auch immer wieder versucht, jungen Christen aus dem Heiligen Land eine Ausbildung in Europa zu ermöglichen. Man kann sich aber ausrechnen, dass der eine oder die andere dann nicht mehr zurückgeht. Unser Ziel aber ist, dass die Chris­ten im Heiligen Land bleiben. Unsere Hilfe muss nachhaltig im Heimatland der Menschen wirken.

Was konnte der Ritterorden im Heiligen Land bisher bewirken?

Lengheimer: Vieles, weil es immer wieder Dinge und Notlagen gibt, die bei den üblichen Hilfen durchfallen. Die karitative Tätigkeit des Ordens erstreckt sich auf alle Bedürftigen, Jugendlichen, Behinderten, alte und ausgegrenzte Menschen, ungeachtet ihres Glaubens und ihrer religiösen Zugehörigkeit. Wir unterstützen seit Jahren regelmäßig Not leidende Familien in Gaza, Betlehem und Rafidia. Jede Komturei hat da ihre ganz spezifischen Schwerpunkte, so unterstützt die St. Pöltner Komturei u. a. ein Heim für schwer beeinträchtigte Kinder. Oft geht es um ganz konkrete Hilfen für Familien, wir helfen da z. B. bei der Arbeitssuche oder dass es Unterstützung für die Kinder gibt. Zurzeit unterstützen wir die Renovierung eines Kindergartens der Schwestern in Beit Jala – dafür werden 35.000 Dollar benötigt. Diese Summe versuchen wir im Rahmen der Investitur durch die Spenden und Beiträge unserer Mitglieder zu finanzieren. Mir ist auch wichtig zu erwähnen, dass die Mitgliedsbeiträge und Spenden praktisch eins zu eins den Menschen im Heiligen Land zugute kommen. Wir haben nahezu keine Verwaltungskosten, weil eigentlich alles im Orden ehrenamtlich geschieht. Selbst die alljährliche Reise unserer Heilig-Land-Kommission nach Israel, um unterstützte Projekte zu besuchen und zu evaluieren, zahlen die Mitglieder der Kommission aus der eigenen Tasche.

Wie sehen Sie die Stellung des christlichen Glaubens in Österreich?

Lengheimer: Das ist eine Frage, die nicht spezifisch nur unseren Orden betrifft, aber als Katholik will ich sie nicht unbeantwortet lassen: Ich denke, dass wir in Österreich eine Säkularisierung haben, mit der Auswirkung, dass gewisse Bräuche – vor allem in den Städten, immer mehr aber auch am Land – wie etwa der sonntägliche Kirchenbesuch, abgenommen haben. Das größere Problem scheint aber zu sein, dass es nicht nur in der Kirche, sondern auch im Staat und in der Gesellschaft zentrifugale Bewegungen gibt. Heute ist man entweder konservativ oder fortschrittlich, man ist entweder links oder rechts, man ist entweder ausländerfeindlich oder ein so genannter Gutmensch … Diese Kategorisierungen sind meiner Meinung nach nicht klug. Insgesamt leidet darunter bedauerlicherweise das vernunftmäßige Denken.

Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Lengheimer: Wir haben in der zweiten Repub­lik immer wieder beklagt, dass unser Staat so verbandelt ist. Stichwort: Verbändestaat, Gewerkschaft, Kammern … Es ist schon richtig, dass es da Missbräuche gegeben hat, aber auf der anderen Seite hat es auch zu einer Solidarisierung geführt. Und in Wahrheit war die Denkweise – bei aller Unterschiedlichkeit der Interessen – z. B. zwischen einem Gewerkschaftsbundpräsidenten und einem Kammerpräsidenten der gewerblichen Wirtschaft – die gleiche. Nämlich diese Denkweise: Wir müssen bei der Durchsetzung unserer Interessen darauf achten, was man dem anderen zumuten kann und miteinander reden, um zu einem Kompromiss zu gelangen. Dies scheint mir heute verloren zu gehen.

Gibt es im Ritterorden die Sorge um Nachwuchs?
Lengheimer: Als ich vor zwölf Jahren Statthalter geworden bin, war unser Ziel, dass wir 400 Mitglieder haben. Heute haben wir 560. Das zeigt, dass wir eine wachsende Organisation sind – und das ist heute in der Kirche eigentlich nicht so selbstverständlich.

Warum ist das so?
Lengheimer: Viele unserer Mitglieder sagen: Das ist eine Gemeinschaft, wo ich mich wohlfühle, wo ich mit Gleichgesinnten auch interessante Fragen diskutieren, etwas lernen und mich austauschen kann. Zu unserem Ordensleben gehört nicht nur die Unterstützung der Christen im Heiligen Land, sondern vor allem auch unser monatliches Zusammenkommen, bei dem immer eine heilige Messe gefeiert wird und es danach oft einen Vortrag und eine Diskussion zu einem Thema gibt, das uns Chris­ten gerade beschäftigt oder interessiert.

Wer kann Mitglied beim Ritterorden werden?
Lengheimer: Wir sind der einzige Orden, dem Laien und Kleriker gleichberechtigt angehören können. Wir stehen Damen und Herren offen, die sich im christlichen Glauben verankert fühlen, sich um eine christliche Lebensfüh­rung bemühen und die Christen im Heiligen Land unterstützen wollen. Der jährliche Beitrag beläuft sich auf etwa 500 Euro, doch darf die finanzielle Leistung trotz unserer Verpflichtungen kein Hindernis für einen Beitritt sein. Wer Interesse hat, soll sich an ein ihm bekanntes Ordensmitglied wenden oder sich direkt bei der Komturei melden, die für ihn in Frage kommt. Alle Informationen dazu gibt es auf unserer Homepage www.oessh.at.

Meine letzte Frage an Sie als Katholik: Glauben Sie, dass man als Christ mit Problemen im Leben anders umgeht als jemand, der sich nicht erlöst weiß?
Lengheimer: Also wenn man glaubt, dass man als Christ sozusagen etwas Besseres ist, dann ist das meiner Meinung nach die falsche Einstellung und ich glaube auch nicht, dass Jesus das von uns Christen so wollte. Christsein ist ein Ansporn, aber es bedeutet nicht: Ich bin Christ und deshalb schon ein guter Mensch. Ich denke, dass man als Christ so leben sollte, dass sich andere daran orientieren können. Und genau das gilt für die Mitglieder beim Orden. Wenn ich beim Orden bin, dann sollte ich mich darum bemühen, als Dame oder Ritter zu leben. Eigentlich sollte man uns anmerken, dass wir Ritter oder Damen zum Heiligen Grab sind, auch wenn wir nicht unsere Ordens­insignien tragen.

Zur Person

DDr. Karl Lengheimer ist Gründungsmitglied der Komturei St. Pölten (im Jahr 1990). Insgesamt richtete die Komturei dreimal die Investitur aus – zuletzt im Jahr 2010 in der Stiftskirche Herzogenburg.

Karl Lengheimer hatte im Orden mehrere leitende Funktionen inne, so war er bereits von 2000 bis 2008 leitender Komtur und von 2008 bis 2016 Statthalter des Ordens in Österreich. Seit Dezember 2017 ist er wieder leitender Komtur in St. Pölten – eine Funktion, die er statutengemäß, nachdem er heuer am 24. August seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, abgeben wird.

Beruflich war Lengheimer in der NÖ Landesregierung tätig und Politiker (ÖVP). Von 2000 bis 2010 war er Landtagsdirektor des NÖ Landtages. Mehrere Jahre war er auch Mitglied des Österreich-Konvents. Lengheimer ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.

Die Grabesritter

Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem ist ein päpstlicher Laienorden zur Hilfe der Chris­ten im Heiligen Land mit einem vom Papst eingesetzten Kardinal als Großmeister an der Spitze. Mitglieder können Frauen und Männer, Laien und Geistliche sein. In Österreich ist der Orden territorial in zwölf Komtureien gegliedert, die nach ihren Zentren benannt sind: Baden-Wiener Neustadt, Bregenz, Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Klos­terneuburg, Linz, Salzburg, Salzkammergut, St. Pölten und Wien. Jede Komturei wird von einem Leitenden Komtur und einem Prior geleitet. In St. Pölten hat neben dem leitenden Komtur Karl Lengheimer der Abt vom Stift Altenburg, MMag. Thomas Renner, das Amt des Priors inne. Er folgte 2020 in dieser Funktion dem langjährigen Prior, Prälat Maximilian Fürnsinn. Großprior von Österreich ist Mag. Raimund Schreier OPream, Abt von Wilten. Bischof Alois Schwarz zählt ebenfalls zu den Mitgliedern der Grabesritter.

Die Investitur vom 24. bis 26. September in St. Pölten und Krems findet unter dem Motto „Hier bin ich, sende mich“ (Jes 6,8) statt. Es werden Damen und Ritter sowie geistliche Würdenträger aus dem In- und Ausland erwartet.
Das Programm:
Freitag, 24. September, 20.15 Uhr: Feierlicher Einzug in den Dom zu St. Pölten.
20.30 Uhr: Feier der Vigil mit Großprior Abt Mag. Raimund Schreier OPraem.

Samstag, 25. September, 15.45 Uhr: Feierlicher Einzug in den Dom der Wachau (Stadtpfarrkirche Krems-St. Veit).
16 Uhr: Pontifikalamt mit Investitur; Hauptzelebrant: Großprior Abt Mag. Raimund Schreier OPraem.

Sonntag, 26. September, 10.15 Uhr: Sonntagsgottesdienst mit der Pfarrgemeinde St. Pölten Stattersdorf-Harland; Hauptzelebrant Bischof Alois Schwarz

Grundsätzlich sind Gäste zu den Feierlichkeiten in den (Dom-)Kirchen – so lange das Platzangebot reicht – zugelassen, dabei müssen die geltenden Corona-Regeln beachtet werden.

Spenden
für das Engagement des Ritterordens im Heiligen Land sind möglich auf das Konto mit dem IBAN AT74 5300 0034 5592 3920.

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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