Interview mit P. Batlogg
Christentum ist eine Tatsache: Ich muss es leben!

Albrecht Altdorfers Auferstehung Christi (Tafel vom Sebastian-Altar aus dem Stift St. Florian, 1518, heute im Kunsthistorischen Museum Wien). Albrecht Altdorfers Auferstehung Christi (Tafel vom Sebastian-Altar aus dem Stift St. Florian, 1518, heute im Kunsthistorischen Museum Wien). 
 | Foto: Albrecht Altdorfer
  • Albrecht Altdorfers Auferstehung Christi (Tafel vom Sebastian-Altar aus dem Stift St. Florian, 1518, heute im Kunsthistorischen Museum Wien). Albrecht Altdorfers Auferstehung Christi (Tafel vom Sebastian-Altar aus dem Stift St. Florian, 1518, heute im Kunsthistorischen Museum Wien).
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Der österreichische Theologe, Jesuit und ehemalige Chefredakteur der "Stimmen der Zeit" Andreas Batlogg referiert am 3. März (19 Uhr) im Bildungshaus St. Hippolyt zum Thema "Aus dem Konzil geboren". Weiters leitet er am 4. März einen spirituellen Tag zum Thema "Jesus begegnen und entdecken" (diese Veranstaltung ist bereits ausgebucht). "Kirche bunt" bat ihn zum Interview.

Kirche bunt: Viele freuen sich auf Ihren Vortrag „Aus dem Konzil geboren“ im Bildungshaus St. Hippolyt zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Aber man muss vielleicht auch gestehen: Für viele ist das Konzil weit weg, manchen sagen der Begriff geschweige die Texte nichts mehr. Was sind für Sie die Schlüsselergebnisse des Konzils?

Pater Andreas Batlogg SJ: Sie haben recht: Es liegt für viele lange zurück. Für heutige Theologiestudierende ist das Zweite Vatikanum, das von 1962 bis 1965 tagte, kirchengeschichtliche Steinzeit: Geschichte, Vergangenheit, so fern wie das Erste Vatikanum (1869/70) oder das Konzil von Trient (1545–1563). Trotzdem: Es war ein gewaltiger Aufbruch damals. Das Konzil brachte „frische Luft“ in die Kirche. Das war nach Papst Johannes XXIII. nötig. Sein Programmwort lautete „Aggiornamento“: Er wollte, dass sich die Kirche mit der Moderne auseinandersetzt, mit ihr ins Gespräch kommt. Aber nicht abwehrend oder verurteilend, sondern indem sie auf das Positive schaut. Das war vorher anders.
Der Jesuit Karl Rahner (1904–1984), der dem Wiener Kardinal Franz König als Berater zur Seite stand, hatte schon Recht: „Freilich wird es lange dauern, bis die Kirche, der von Gott ein II. Vatikanisches Konzil geschenkt wurde, die Kirche des II. Vatikanischen Konzils sein wird.“ Das Verständnis von Kirche als pilgerndes Volk Gottes, Liturgie in der Muttersprache, nicht nur auf Latein, Ökumene, das Gespräch mit nichtchristlichen Religionen, Religions- und Gewissensfreiheit – all das gab es so vorher nicht, um nur einiges zu nennen.

Das Zweite Vatikanische Konzil war ein gewaltiger Aufbruch. Es brachte „frische Luft“.

Wie gut vorbereitet sollten Interessierte im Vorfeld auf Ihren Vortrag in St. Pölten sein?

Batlogg: Neugierde genügt schon: Warum wurde das Konzil einberufen? Was waren die Motive von Johannes XIII.? Warum führte es nach seinem Tod Paul VI. weiter? Wie schaute die Vorbereitung aus? Was wurde auf dem Konzil verhandelt? Wie lief es? Welche Beschlüsse fasste es? Ich habe nicht vor, langweilig zu sein. Die Potentiale, die dieses Konzil freisetzte, sind längst nicht ausgeschöpft. Wir dürfen es deswegen auch nicht musealisieren.

Was ist Ihr persönlicher Bezug zum Konzil? Viele, denen die Kirche am Herzen liegt, sagen, die Kirche muss sich verändern. Wie muss Kirche sein, um Zukunft zu haben?

Batlogg: : Ich nenne mich ein „Konzilskind“, weil ich eine Woche vor Konzilsbeginn (11. Oktober 1962) geboren wurde. Meine ganze pastorale und theologische Sozialisation hat mit diesem Ereignis zu tun. Auch die Enge, die im Lauf der letzten Jahrzehnte wieder einzog, da und dort ein Rückbau mancher Konzilsbeschlüsse und die liturgischen und theologischen Nostalgiker, die vor das Konzil zurück wollen. Weihbischof Helmut Krätzl hat nicht ohne Grund ein Buch mit dem Titel „Im Sprung gehemmt“ verfasst. Johannes XXIII. wollte, dass die Kirche „einen Sprung nach vorn“ macht. Kirche ist ja kein Museum, Liturgie kein Totenkult, Christen sind kein Leben-Jesu-Gedächtnisverein. Wie die Kirche von morgen ausschaut, weiß ich nicht. Ich bin kein Prophet. Aber sie muss eine dienende Kirche sein, eine Kirche der offenen Türen, eine Kirche, die nicht um sich selbst kreist, sondern hinausgeht: an geografische und  an existentielle Peripherien, wie Papst Franziskus sagt. Kirche muss immer an
der Seite von Armen, Benachteiligten und Marginalisierten stehen. Ihnen eine Stimme geben.

Die Ergebnisse der Amazonas-Synode sind kaum spürbar. Sie sehen den Synodalen Prozess als Erbe des Konzils: Wird dieser der Kirche eine neue Richtung geben?

Batlogg: Die Sondersynode für Amazonien war eine Partikularsynode für diese Region. Es gab natürlich hochgesteckte Erwartungen, dass davon Signale für andere Erdteile ausgehen. Papst Franziskus hat sich diesem Druck widersetzt. Synodalität meint: aufeinander hören und miteinander gehen. Anders als bisher. Und dann eben auch: anders denken, anders reden und anders handeln. Es geht um Partizipation. Das bedeutet
Machtverlust für Bischöfe. Kein Wunder, dass sich da Widerstand regt. Der Papst verspricht sich von einer mehr synodal angelegten und verfassten Kirche „nicht eine andere Kirche“, sondern „eine Kirche, die anders ist“ – womit er sich auf den Konzilstheologen und Dominikaner Yves Congar (1904–1995) bezieht. Das setzt einen Umdenken voraus. Es ist ein Lernprozess, für alle: Bischöfe und Theologen ebenso wie normale Gläubige. Synodale Prozesse dauern!!

Sehen Sie ganz allgemein Hinweise, die uns ermutigen können, dass die Kirche weiterhin in den verschiedensten Bereichen unseres Lebens eine wichtige Kraft bleiben wird?

Batlogg: Die Gottesfrage lässt sich vielleicht verdrängen, aber nicht abschaffen. Auch das hat Corona gezeigt. Das ist eine Riesenchance für die Kirche, auch wenn wir dabei keinen Monopolanspruch haben. Wir „verwalten“ Gott nicht! Auch wenn wir zahlenmäßig abnehmen: Kirche ist kein Auslaufmodell. Vorüber sind gewisse volkskirchliche Strukturen und Mentalitäten. Das Evangelium ist immer ein Korrektiv: innerkirchlich sowieso, aber auch für die Gesellschaft.

Es ist ein Lernprozess für alle: Bischöfe und Theologen ebenso wie normale Gläubige. Synodale Prozesse dauern

Sie gehören dem Jesuiten-Orden an und befassen sich somit viel mit Spiritualität und dem Alltag der Menschen. Oft wird das Wunderbare des Christentums aus den Augen verloren. Könnten Sie uns die Schönheit des christlichen Glaubens aus Ihrer Sicht wiedergeben?

Batlogg: Glaube wirkt dann überzeugend, wenn er alltagstauglich ist, krisenfest, argumentativ belastbar, intellektuell redlich. Das lädt ein. Wer mit Christentum nur Dogma und Moral verbindet, wird vielleicht abgeschreckt. Die braucht es natürlich auch. Aber zuallererst ist Christentum eine Person: Jesus Christus. Ihn nicht nur „interessant“ finden oder originell, sondern ihn suchen, für mich und mein Leben entdecken – darauf kommt es an. Manchmal entsteht daraus ein Bekenntnis. Oder sogar eine lebenslange Bindung.
Kirche wird und entsteht, wo sich die zusammentun, die das Leben Jesu weiterschreiben mit ihren Lebensgeschichten. Wer sich auf das fixiert, was in der Kirche schiefgeht, wo sie hinter dem Evangelium
zurückbleibt, wo sie kläglich versagt, kriegt keinen Zugang. Aber Christentum ist „eine Perspektive, keine Retrospektive“, wie Andrea Riccardi von der Gemeinschaft „Sant’Egidio“ sagt. Es geht, wie beim Konzil, um den Buchstaben und um den Geist. Man kann sie nicht gegeneinander ausspielen. Das bloße Befolgen eines Wortlautes nützt nichts, wenn er sich nicht mit dem Geist, der in einem Text steckt, verbindet. Wer sich auf die „Gesinnung Jesu“ beruft, denkt und handelt anders, da genügt nicht das bloße Zitieren. Christentum ist eine
Tat-Sache: Ich muss es leben!

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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