Interview mit Mag. Josef Moosbrugger
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Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger möchte die 
nachhaltige, bäuerliche Familien­landwirtschaft erhalten. | Foto: Landwirtschaftskammer Österreich/APA-Fotoservice/Schedl
  • Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger möchte die
    nachhaltige, bäuerliche Familien­landwirtschaft erhalten.
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Handelsketten setzen die österreichische Landwirtschaft enorm unter Druck. In der Schöpfungszeit (1. September bis 4. Oktober) schildert Josef Moosbrugger, Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer, wie er sich eine zukunftstaugliche und klimafreundliche Landwirtschaft vorstellt.

Als Kardinal Christoph Schönborn in der Fastenzeit 2012 dazu ermutigte, weniger Fleisch zu essen, folgte die empörte Aufforderung von Schweinebauern, nur den halben Kirchenbeitrag zu bezahlen. Hoher Fleischkonsum schädigt nachweislich das Klima, das für die Landwirtschaft so wichtig ist. Wo beginnt man mit der Verbesserung des Klimas?
Josef Moosbrugger: Ich bin nicht dagegen, dass man weniger Fleisch isst. Ich würde aber betonen, dass es darum geht, bewusster zu kaufen und nicht zum billigen Fleisch zu greifen. Das Entscheidende ist, wie das Fleisch produziert ist, wo es herkommt. Wichtig ist, im Kreislauf zu denken und Themen wie das Klima mit zu berücksichtigen. Jeder kann etwas tun. Wenn manche glauben, man muss jeden Tag Fleisch haben, ist das aus meiner Sicht nicht die Vorgabe. Nicht jeden Tag Fleisch essen, dafür höherwertiges und einen guten Preis dafür bezahlen: Dann hätten wir alle etwas davon, auch das Klima.

80 Prozent der EU-Förderungen für Landwirtschaft gehen an 20 Prozent der größten Agrarunternehmen. Nur drei Prozent der Betriebe bewirtschaften 50 Prozent der europäischen Landwirtschaftsflächen. Läuft da etwas schief?

Moosbrugger: Ich bin dafür zu differenzieren, Europa nicht auf Österreich umzulegen. Wir sind anders, das belegen die Zahlen. In Holland, Irland und anderen Staaten sind die durchschnittlichen Betriebe viel, viel größer. Wenn ich in Brüssel sage, dass mein Betrieb 40 Hektar hat, fragen sich manche, ob das überhaupt eine Landwirtschaft ist, obwohl ich mich nicht zu den kleinsten in Österreich zähle. Die durchschnittliche Betriebsgröße in Österreich sind 20 Hektar. Das gibt es in Europa sonst nirgends. Bei uns ist auch die Fördergeldverteilung, die Abgeltung der Leistung, eine andere als sonst in der EU. Zwei Drittel des Geldes sind im Umweltprogramm, in der Unterstützung der benachteiligten Betriebe, etwa aufgrund steiler Lagen, vieler Feldstücke, kleiner Strukturen. Das gewichten wir anders. In anderen EU-Ländern werden Gelder nach Fläche verteilt, bei uns ist das eine leistungsbezogene Entscheidung.

Wie viel müssten wir Kund/innen bezahlen, damit es dem Wert der Lebensmittel entspricht?

Moosbrugger: Es wäre in Österreich unseriös zu sagen, es gibt einen einzigen Milchpreis, einen einzigen Fleischpreis, ein und denselben Preis für ein Kilo Rind- oder Schweinefleisch. Die Lage, der Standort, die Region entscheiden darüber, wie produziert werden kann. Im Grünland habe ich eine völlig andere Grundlage in der Milchproduktion. Der überwiegende Teil des Futters ist das Gras, das Grünland. In den letzten 20 Jahren konnten wir in der Landwirtschaft den CO2-Ausstoß senken, obwohl die Produktion nicht zurückging. Manche glauben, dass das Getreide von irgendwo eingeführt werden muss. In Vorarlberg haben wir Programme wie das Ländle Alp- und Weiderind, das etwas länger auf der Weide ist, natürlich ordentliches Gras braucht, aber wir wollen weg von dem – wie man so schön sagt – Kraftfutter. Das funktioniert, aber nicht in der Geschwindigkeit wie eine andere Rindermast. Daher kann das Fleisch nicht gleich billig sein wie das von Tieren, die in Norddeutschland im intensiven Maststall gestanden sind, keine Außenwelt erlebt haben und intensivst gefüttert worden sind.

Müssen sich Bäuerinnen und Bauern flexibler auf die Wünsche der Kund/innen einstellen?
Moosbrugger: Veränderung findet statt. Aber bei Investitionen in der Landwirtschaft ist eine Generation daran gebunden. Ich kann nicht, wenn ich einen neuen Stall gebaut habe, nach einem Jahr schon wieder etwas anderes machen. Aber dass Bauern auch den Markt im Auge behalten und ihre Produktion danach richten sollen, ist eine sinnvolle Botschaft. Wir können in der Produktpalette breiter werden. Da hat sich in den letzten 20 Jahren schon sehr viel getan. Auch exotischeres Fleisch wie Storchen- oder Zebu-Fleisch haben wir zum Beispiel im Angebot.

Wie wehrt sich die Landwirtschaft gegen den Preisdruck der Supermarktketten?
Moosbrugger: Wir haben leider eine extreme Konzentration im Handel, wo drei große Anbieter 120.000 Bauern gegenüberstehen. Der Handel bekommt nie genug, ist sich zu nichts zu schade und übt Druck aus, wo er nur kann. Der Anteil, den Bauern und Bäuerinnen vom Endverkaufspreis bekommen, wird ständig weniger. Die Landwirte müssen die steigenden Lebenshaltungskosten, die steigenden Betriebsmittelpreise und Ausgaben abdecken, obwohl sie für das Kilo Fleisch oder Milch oder fürs Ei seit 20 Jahren den gleichen Preis bekommen. Das trifft sie mittlerweile in der Seele. Sie haben keine Luft mehr zum Atmen. Auf der anderen Seite steigen die Ansprüche von Gesellschaft und Handel, was sich etwa bei der Tierhaltung alles verbessern soll. Der Handel stellt die österreichische Landwirtschaft aber gleichzeitig dem billigeren, importierten Fleisch direkt gegenüber. Das geht sich irgendwann nicht mehr aus. Das ist ein Dilemma. Ich will den Handel nicht pauschal kritisieren. Aber faire Partnerschaft ist etwas anderes.

Wie kommt man da heraus?
Moosbrugger: Gerade in Coronazeiten haben wir erlebt, dass Direktvermarktung und Online-Vermarktung zugenommen haben. Die Landwirtschaft muss andere Vermarktungswege als die großen Ketten finden. Wir müssen auch selbstkritisch schauen, wie wir uns besser gegenüber dem Handel aufstellen. Das ist leichter gesagt als getan. Wir brauchen einen gemeinsamen Ansprechpartner für den Handel, damit wir eine bessere Verhandlungsposition bekommen. Wir brauchen also die richtige Strategie, wir brauchen Vielfalt in der Landwirtschaft und neue Vermarktungsformen wie Gemüsekistenzustellung. Es gibt kein Patentrezept für alle. Wichtig ist auch die öffentliche Beschaffung. Es darf im Einkauf der öffentlichen Stellen nicht darum gehen, das Billigste zu kaufen, sondern regional zu kaufen – in Spitälern zum Beispiel. Wir dürfen uns der extremen Macht des Handels nicht mehr voll und ganz ausliefern.

Wie sieht der ideale landwirtschaftliche Betrieb der Zukunft in Österreich aus?
Moosbrugger: Nachhaltig: ökologisch und ökonomisch produzierend. Wo liegt der Kernauftrag für die Landwirtschaft? Das ist Versorgungssicherheit für Österreich. Wenn wir das schaffen, haben alle etwas davon. Dafür wollen wir von der Politik unterstützende Maßnahmen. Die österreichischen Bäuerinnen und Bauern haben ein großes Interesse, ihrem Auftrag nachzukommen. Da sind viel Leidenschaft und Engagement dabei, sonst würden es viele nicht mehr tun. Sie brauchen Signale, die sie zum Weitermachen motivieren. Im Bewusstsein ändert sich viel. Aber wir sind noch nicht dort, wo wir sein sollten. Die Entscheidungen, zum Beispiel beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, sind zu zaghaft. Ich bin für den vollen Ausstieg aus fossiler Energie. Man redet zwar viel, aber in manchen Bereichen sind die Entscheidungsschritte zu schwach.

Was würden Sie vorschlagen?
Moosbrugger: Wir können in der Landwirtschaft ohne fossile Energie auskommen, den Treibstoff aus Biomasse produzieren, in erster Linie aus Holz. Aber es gibt Interessen, die dagegenstehen. Auch bei der Photovoltaik sind wichtige Entscheidungen zu fällen. Auf besten Böden werden Photovoltaikanlagen gebaut statt Lebensmittel. Das ist absurd. Photovoltaik gehört auf die Dächer. Das ist vielleicht nicht immer so günstig, aber wichtig. Man könnte entlang von Autobahnen oder auf anderen, weniger „wertvollen“ Flächen Sonnenkollektoren aufstellen, das wäre sinnvoller als auf den Feldern.

Immer mehr Junge tun sich die Landwirtschaft nicht mehr an. Was machen die Landwirtschaftskammern, damit Höfe weitergeführt werden?
Moosbrugger: Die Erfahrung zeigt: Das Fundament ist die Einstellung in der Familie, ob viel gejammert wird oder ob eine positive Stimmung herrscht. In der Bildung und Beratung bieten wir viel Unterstützung für die Hofweitergabe innerhalb oder außerhalb der Familie an. Ich will nicht, dass Höfe Spekulationsobjekte werden. Sie sollen Höfe bleiben, Lebensmittel produzieren und die Landschaft pflegen. Wir dürfen nicht alles zubetonieren, der Bodenverbrauch ist viel zu hoch, das steht der Landwirtschaft im Weg. Vergleichen Sie unsere Landschaft mit anderen Gegenden in Europa. Wir haben eine vielfältige Kulturlandschaft, das ist nicht überall der Fall. Die Wertschätzung geht etwas verloren und das tut mir weh. Viele wissen nicht, dass es bäuerliche Arbeit braucht, damit es so schön ist, wie es ist. Interview: Monika Slouk und Sonja Planitzer

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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