Wort zum Sonntag
Seid heilig!

Foto: Haab

Letzte Woche kam ich mit einer Patientin in der Krankenhaus-Kapelle ins Gespräch. Ich erzählte ihr, dass ich an einem Evangelien-Kommentar für die Kirchenzeitung arbeite zum Thema: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.“ Die Patientin lächelte mit einiger Lebenserfahrung und sagte: „Da halt ich es lieber mit meiner Großmutter, die hat gesagt: Ich habe eine Schürze mit großen Taschen vorne, da kann ich viel einstecken, aber manchmal, im rechten Moment, bei der rechten Person, kann ich daraus auch austeilen.“ Kinder lernen von ihren Eltern, Großeltern und Bezugspersonen. Und schon ist dieses alttestamentliche Missverständnis, dieser Freibrief für Vergeltung, an Kinder und Enkelkinder weitergegeben. Das alttestamentliche „Aug um Auge“ war grundsätzlich als Schutz vor überbordenden Vergeltungsschlägen gedacht, eine Einschränkung darauf, nur den entstandenen Schaden zu rächen.
Jesus hat anderes im Sinn, seine Weisungen sind viel subtiler. Römer haben Sklaven mit dem Handrücken auf die rechte Backe geschlagen, die andere Wange hinzuhalten bedeutet: mit der Handfläche geschlagen zu werden, und das stand nur gleichwertigen Personen zu. Gewaltverzicht? Aufruf zum friedfertigen Widerstand? Deutlichmachen von Entbehrlichkeit von Gewalt?
Jesus zählt noch weitere Beispiele auf, und alles bedeutet: Gib mehr als gefordert! Ich kann das nur unter einer Prämisse verstehen: Jesus mutet uns das zu, weil wir es können!
Es ist aufs Erste unvorstellbar. Aber Jesus fordert auf, freigiebig, großherzig und uneigennützig zu sein. Lebt anders, unterscheidet euch, liebet eure Feinde. Ein Patient hat mir letztens erzählt, er war in russischer Kriegsgefangenschaft, und er hat dort erlebt, dass Russen auch Menschen sind. Hier wird Jesu Auftrag lebendig.
Jesus mutet uns das zu, weil wir die besten Voraussetzungen haben: Seid heilig, denn ihr seid Tempel Gottes. Er mutet uns das zu, weil wir auf folgende Zusagen vertrauen können: Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott.
von Elisabeth Vallant

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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