Betty Quast im Gespräch mit Andreas Raffeiner
„Gott lässt uns nicht allein und gibt uns niemals auf ...“

Foto: russwurm-biro

Die begabte und charismatische Lyrikerin Betty Quast aus St. Veit an der Glan über Gott, die Verbindung von Lyrik und Liturgie, ihre Werke als Beitrag für eine bessere Welt und zwischenmenschliche Werte.

Frau Quast, können Sie sich ein bisschen beschreiben?
Quast: Ich bin zunächst Schriftstellerin mit einer Funktion im Kärntner SchriftstellerInnenverband.Gleichzeitig Mama eines Sechsjährigen, eigentlich ein Job für sich. Außerdem bin ich Deutsch- und Englisch-Lehrerin, begeisterte Fotografin, Hobbynäherin und sonstige Kreativlerin, Songschreiberin u. v. m. Der reinste Wunderwuzzi könnte man meinen, wobei ich nicht immer alles gleichzeitig mache – aber manches schon!

Wer oder was ist Gott für Sie?
Quast: Eine höhere Macht, die immer da ist – für uns Menschen letztlich unbegreiflich, an die wir uns jederzeit wenden können, die uns trägt und Trost spendet. Sehr spürbar ist Gott für mich in der Natur oder in alten Kirchen, aber durch Jesus Christus ist er auch an den schlimmsten und hässlichsten Orten bei uns, er lässt uns nicht allein und gibt uns nicht auf.

Sie sind Lyrikerin. Was verbindet Lyrik mit Liturgie, wenn man den gemeinsamen Anfangsbuchstaben ausklammert?
Quast: In der Liturgie, der christlichen Gottesdienstordnung, sind durchaus Elemente enthalten, die es auch in der Lyrik bzw. der Literatur insgesamt gibt. Allen voran natürlich die Lesungen, und die Bibel ist ja abgesehen vom Spirituellen auch ein dichter literarischer Text. Eine besondere Verbindung dieser beiden Welten gelang mit den Dialogpredigten im Klagenfurter Dom, einer langjährigen Kooperation von Dompfarrer Peter Allmaier und dem Kärntner SchriftstellerInnenverband, an der auch ich mitwirken durfte.

Wie kann man sich das genau vorstellen?
Quast: Die Herausforderung bestand darin, zu einer vorgegebenen Bibelstelle der Fastenzeit einen literarischen Text zu verfassen – in meinem Fall ein Gedicht – und diesen anstatt der Predigt in der Messe vorzutragen. Anschließend tritt man in einen künstlerisch-theologischen Dialog mit dem Dompfarrer, wodurch sich die eigentliche Predigt entspann. So gelang tatsächlich eine Synthese aus Liturgie und Literatur. Das war eine ganz besondere Erfahrung für mich und sicher auch für alle anderen Beteiligten.

Inwiefern steckt in der Poesie Spiritualität?
Quast: Beim Dichten braucht man Feingefühl, muss in sich hineinhören können. Das hat gewisse Gemeinsamkeiten mit Meditation oder Gebet, aber es ist doch anders. Auch ist Inspiration ja nicht erzwingbar sondern eine Gnade.

Können Ihre Werke, sofern sie richtig ausgelegt und verstanden werden, auch einen Beitrag für eine bessere Welt darstellen?
Quast: Das hoffe ich sehr, denn ich verstehe mich durchaus auch als politische Schriftstellerin und Künstlerin. Natürlich erhoffe ich mir Denk- und Handlungsanstöße der Leser durch meine Bücher. Allerdings sind literarische Texte immer mehrdeutig. Das muss so sein, sonst wären sie nicht Kunst, sondern Agit-Prop, und das ist mir zu platt. Aber ich denke, man erkennt schon, wohin die Reise geht.

... und wohin geht sie?
Quast: Mein erster Lyrikband Endzeit beschäftigt sich mit unserer gegenwärtigen globalen, kapitalistischen Gesellschaft und imperialen Lebensweise, die gerade die Welt auffrisst. Diese bietet als Sedativum Konsum an, schlittert aber gleichzeitig immer mehr in die totale Überwachung. In „Almenrausch“ umkreise ich mithilfe von Lyrik, Essay und Fotos das Phänomen „Faszination Alpen“, inklusive Wintertourismus, sprich Over-Tourism, Zerstörung der Alpen durch denselben. Doch gleichzeitig kommenauch die Schönheit und Spiritualität der Berge zur Sprache, die dort ja immer noch zu finden sind. Mit der Natur können wir uns verbinden und wieder aufrichten, aus ihr Kraft schöpfen, um aktiv gegen die Weltzerstörung vorzugehen.

Welche zwischenmenschlichen Werte sind Ihnen wichtig?
Quast: Ehrlichkeit, und das hat sich mir in der Coronazeit ganz besonders gezeigt: Empathie mit seinen Mitmenschen, nicht gleich in Schubladen einsortieren, einander zuhören, einander helfen. Ich glaube, ich bin nicht allein, wenn ich sage, jeder und jede hat in der Pandemie bisher irgendwie gelitten – durch die Lockdowns, Isolation, Quarantäne, Krankheit, Jobverlust oder Überforderung. Das gilt vor allem für Frauen, deren ohnehin schon vorhandene Mehrfachbelastung ins Extrem getrieben wurde. Familie, Haushalt, vielleicht noch Job im Homeoffice, und dann zusätzlich noch Home-Teaching oder Home-Kindergardening. Das meiste davon übrigens ganz ohne Bezahlung! Diese Leistungen werden von uns Frauen einfach so erwartet.

Wie sehr hat die Kunst, haben konkret Künstlerinnen und Künstler Ihrer Erfahrung nach an dieser Situation gelitten?
Quast: Künstlerinnen und Künstler hat es besonders getroffen. Es gab ja keinerlei Auftritte, keine Lesungen, keine ansatzweise Entlohnung. Fairness wäre so ein Wert, den ich mir in unserer Gesellschaft sehr wünschen würde. Denn auch Kunst ist Lebensmittel!

Hilft Ihnen in schwierigen Situationen der Glaube?
Quast: Absolut. In der Pandemie habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, diese spirituelle Unterstützung zu haben, auch und gerade wenn um einen herum bisher Selbstverständliches ins Wanken geraten ist. Stichwort: Maßnahmen. Aber Politiker kommen und gehen, Gott bleibt bestehen.

Sie schreiben viel über Dinge und Handlungsweisen, die unsere Welt, wie wir sie kennen, gefährden. Was macht Ihnen Angst?
Quast: Der menschengemachte Klimawandel und dass darauf immer noch nicht angemessen reagiert wird. Durch Corona ist er etwas aus dem Blick geraten, aber er findet ja immer noch statt. Dabei sind wir in Europa noch privilegiert. Wir dürfen nicht wegschauen, wie es woanders abläuft, vor der herannahenden Bedrohung nicht die Augen verschließen, auch wenn das schwierig ist. Wir müssen handeln. Ich wünsche mir für meinen Sohn und alle heutigen Kinder, dass sie in Frieden und Gerechtigkeit aufwachsen und selbst Eltern und Großeltern werden können.

Wenn Sie aus der Bibel oder auch aus anderen Quellen schöpfen: Was wäre ein Satz, der für Sie besondere Bedeutung hat?
Quast: Da wähle ich den Satz Jesu aus dem Johannes-Evanglium: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Joh 11,25-26)

Zur Person
Betty Quast wurde 1975 in München geboren. Sie studierte in München und Berlin Englisch, Germanistik und Musik. Quast war schon früh kreativ tätig, so gründete sie mit ihrer Schwester ein Musik-Kabarett-Projekt, wofür sie einen Jugendförderpreis erhielt und Preisträgerin bei „Jugend musiziert“ wurde. 2012 kam Betty Quast nach Österreich und seit 2013 lebt sie in St. Veit/Glan. Sie ist im Vorstand des Kärntner SchriftstellerInnenverbandes und setzt sich für die Vernetzung von Autoren im Alpe-Adria-Raum ein. 2017 erschien ihr erster Lyrik-Band „Endzeit“, kurz da-rauf erschien „Almenrausch“. Quast ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.

Autor:

Carina Müller aus Kärnten | Sonntag

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