Osterinterview mit Bischof Josef Marketz
Wir wissen, dass am Ende das Leben kommt

Foto: Pressestelle/Gollner

Ostern ist die Kernbotschaft des Christentums: Nach der Finsternis, dem Tod, kommt die Auferstehung. Wenn wir diese Botschaft auf die heutige Zeit übertragen: Was bedeutet Ostern im Jahr 2021?
Bischof Josef Marketz: Wir Christen haben die Gewissheit, dass am Ende nicht Scheitern und Tod stehen, sondern das Leben. Letztlich geht es um die Liebe, denn sie ermöglicht das Leben. So gesehen ist Ostern ganz nahe an unserer Realität. Auf der einen Seite steht das Gefühl der Gottverlassenheit, aber auf der anderen Seite ganz stark dieses Wunder von Ostern, dass Jesus in der Liebe Gottes aufgegangen ist.

Ostern ist ja auch ein emotionales Fest ...
Marketz: Natürlich spricht das Osterfest auch ganz stark unsere Gefühle an. Das Finstere wird überwunden und kommt zum Leben. Das ist ein sehr schönes Bild, das uns heuer auch ganz besonders anspricht. Ich wünsche mir für Ostern die Gewissheit, dass am Ende alles gut wird.

Die Bischöfe empfehlen, dass die Gottesdienste heuer vornehmlich im Freien stattfinden sollen. Das kommt der Botschaft von Ostern eigentlich sehr entgegen?
Marketz: Die Empfehlung, dass Segnungsfeiern und Messen vor allem draußen stattfinden sollen, ist auch ein Zeichen der Öffnung. Ostern ist ein Fest, das eigentlich draußen geschieht. Damit können wir auch erreichen, dass wir den Glauben weitergeben. Wir gehen nach außen, teilen den Glauben.

Ostern 2020 – Ostern 2021: Was hat die Kirche in diesem Jahr gelernt? Wo sehen Sie Ansätze für eine erneuerte Kirche?
Marketz: Von einer Erneuerung würde ich nicht sprechen. Wir haben uns aber verändert. Im Vorjahr haben wir uns ganz auf die Gottesdienste konzentriert. Nach einer Schockstarre haben wir dann unsere Angebote stark ausgeweitet. Der digitale Firmunterricht läuft in ganz Kärnten sehr gut. Die Caritas hat von Beginn an die Risiken erkannt, die diese Pandemie birgt, und rasch reagiert. Die Caritas hat damit auch innerhalb der Kirche für Stabilität gesorgt.

Viele Menschen haben im Vorjahr erstmals selbst die Palmzweige oder die Speisen gesegnet. Ist das auch eine der Veränderungen, von denen Sie sprechen?
Marketz: Ja, damit sind die vielfältigen Möglichkeiten für Laien stärker ins Bewusstsein gerückt. Die Hauskirche ist ein Schatz, der in dieser Zeit viel Halt gegeben, aber auch erweiterte Kompetenzen aufgezeigt hat – ich denke dabei etwa an die Segnungsfeiern in den Haushalten oder gemeinsam mit Nachbarn im Garten. Aber auch in der Verkündigung und Diakonie bis hin zur Liturgie wurden neue Ansätze gefunden.

Was wären Beispiele dafür?
Marketz: Mich haben das Charisma und der Fleiß so vieler Menschen beeindruckt, die in den Pfarren neue Chancen etwa der Verkündigung gesehen und genutzt haben. Natürlich gab es eine große Bandbreite der Reaktionen auf diese Pandemie. Es hat sich gezeigt, dass es von den Menschen vor Ort abhängt, ob etwas geschieht oder nicht. Wir konnten nur einen Rahmen vorgeben. Es hängt aber an den Menschen, wie dieser ausgefüllt wird. Da haben sich viele neue Wege eröffnet.

Wie wird sich das auf die Zukunft der Kirche Kärntens auswirken?
Marketz: Wir müssen die Veränderungen dieser Zeit genau analysieren. Ich glaube, dass die Vielfalt, die sich an vielen Orten entwickelt hat, eine Chance ist, uns aber auch vor ganz neue Herausforderungen stellt. Ich bin auch sicher, dass manches von dem, das jetzt aus der Not heraus geschieht, beibehalten werden soll.

Viele Menschen sind nach einem Jahr Corona zermürbt. Psychische Erkrankungen nehmen zu. Wie kann der Glaube in dieser Situation Halt und Kraft geben?
Marketz: Der Glaube macht die Menschen resilienter gegen zu große Ängste. Gerade Ostern zeigt deutlich, dass unser Glaube der Not in der Welt die Hoffnung und die Liebe entgegenstellt. Ich bin überzeugt, dass der Glaube auch in die Gesellschaft wirkt und ihr guttut.

Wie gehen Sie ganz persönlich mit dieser Situation um? Haben Sie ein „Rezept“ für diese Zeit?

Marketz: Natürlich ist der Glaube eine starke Stütze. Vielleicht führt auch dies dazu, dass ich in der aktuellen Situation relativ entspannt bin. Natürlich vermisse ich persönliche Begegnungen mit Menschen. Andererseits bin ich auch dankbar für die stille Zeit. Vielleicht hat uns dies auch die Kraft gegeben, in der Diözese und im Bistum wichtige Schritte relativ rasch umzusetzen. Es gab viel zu tun, und mir wurde sicher nie langweilig. Insgesamt hoffe ich aber, dass jetzt sehr rasch geimpft wird, damit sich das Leben wieder einigermaßen normalisiert.

Vor einem Jahr äußerten viele die Überzeugung, dass die Pandemie zu mehr Solidarität und Zusammenhalt führt. Hat sich diese Prophezeiung bewahrheitet?
Marketz: Wir haben eine solche Situation noch nie erlebt. Der Unterschied zu allen Krisen, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben, ist, dass diese Not nicht einen Einzelnen betrifft, dem man helfen kann, sondern wirklich die gesamte Menschheit. Mein Handeln ist daher nicht nur relevant für einen Einzelnen, sondern für alle in meiner Umgebung. Das heißt auch, dass sich der Begriff „Solidarität“ wandelt. Er gewinnt eine ganz neue Weite und Dimension. Wir müssen uns gut überlegen, wie wir miteinander umgehen. Daraus müssen wir für die Zukunft lernen. Es gibt ja andere Krisen – ich denke an die Klimakrise oder die Fragen der Migration –, für die wir jetzt lernen können. Darin sehe ich die größte Chance, die diese Pandemie für die Zukunft birgt.

Nun hat die Bischofskonferenz schon festgelegt, dass es heuer kirchliche Feiern mit Gläubigen geben wird. Aber alle, die möchten, werden nicht kommen können. Wie kann die Kirche diesen Menschen begegnen?

Marketz: Einmal können wir ganz stark von den Erfahrungen des Vorjahres zehren. Ich freue mich aber darüber, dass wir heuer wieder miteinander feiern können – natürlich unter den gegebenen Sicherheitsvorkehrungen.

Ostern ist ein traditionsreiches Fest mit viel Brauchtum. Manchmal wird dies als Folklore-Christentum kritisiert. Wie stehen Sie dazu?
Marketz: Hier kann ich nichts Negatives sehen. Wenn wir uns die Osterbräuche anschauen: Sie weisen alle auf etwas Höheres, auf Gott hin. Vielen Menschen sind diese Bräuche wichtig. Auch vielen, die sonst nichts mit Kirche zu tun haben. Das zeigt, dass sie ein Gefühl für Trans-zendenz, für Gott haben. Sie haben eine Ahnung, dass es mehr gibt.

Wie können oder sollen wir als Kirche darauf reagieren? Wie können wir einladend sein?

Marketz: Ich will dieses Gefühl vieler Menschen nicht kleinreden, denn es ist oft erst die Voraussetzung für die Erkenntnis Gottes. Wenn die Menschen ein Gefühl haben, dass es etwas gibt, zeigen wir, was dieses Höhere ist – nämlich Gott. Damit meine ich auch, dass wir dies nicht nur theoretisch sondern durch unser konkretes Leben zeigen. Das ist es ja, was wir zu Ostern feiern – die reale Präsenz Gottes.

Wo feiern Sie heuer Ostern?
Marketz: Die Karwoche feiere ich im Dom. Der Ostersonntag ist der dritte Todestag meiner Mutter. Ich werde an diesem Tag in meiner Heimatpfarre feiern.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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