Eine Tür zum Leben
Tapferkeit - Den Mutigen gehört die Welt

Tapferkeit hat viel mit gesundem Selbstvertrauen und mit Grundvertrauen ins Leben zu tun. Ohne sie laufen wir Gefahr, lethargisch zu werden.  | Foto: Pixabay
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  • Tapferkeit hat viel mit gesundem Selbstvertrauen und mit Grundvertrauen ins Leben zu tun. Ohne sie laufen wir Gefahr, lethargisch zu werden.
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Den Stier bei den Hörnern packen

Sie ist ganz klar jene Tugend, die uns in Schwierigkeiten standhalten und im Erstreben des Guten durchhalten lässt: Die Tapferkeit.

Mein Eindruck ist, dass der Begriff der Tapferkeit nicht unbedingt Hochkonjunktur hat, sondern eher nach etwas Verstaubtem, Antiquiertem riecht. Was jedoch von der Sache her gemeint ist, ist in unserer Gesellschaft hochaktuell“, sagt Martin M. Lintner OSM, Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen.

Prof. Dr. Martin M. Lintner OSM  
Prof. Dr. Martin M. Lintner OSM ist Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen

Denn Tapferkeit, das sei der Definition nach „jene Grundhaltung, mit der wir uns den Widrigkeiten des Lebens stellen, um sie zu bewältigen.“ Sie komme ins Spiel, wenn wir uns mit etwas konfrontiert sehen, was uns zunächst einmal Angst macht. „Tapferkeit stelle ich unter Beweis, indem ich – bildhaft gesprochen – ,den Stier bei den Hörnern packe‘ und mich nicht ängstlich in eine Ecke verkrieche. Als Haltung bleibt sie nicht auf den Moment reduziert, sondern bedeutet auch Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten.“

  • Wie zeigt sich die Tapferkeit aber nun in unserem Alltag?

Prof. Martin M. Lintner OSM: Zum Beispiel in der politischen Tugend der Zivilcourage. Gerade sie verlangt oft ein hohes Maß an Tapferkeit. Damit verbunden ist die Bereitschaft, dass ich mich für einen Wert oder ein höheres Ziel einsetze. Selbst wenn mir selbst dieser Einsatz vielleicht Nachteile bringt.

  • Ich erweise mich im Alltag also als tapfer, wenn ich aktiv an etwas herangehe, aktiv eingreife?

Ja. Aber auch etwa beim hochinteressanten Thema Resilienz denke ich an Tapferkeit. Damit meinen wir die psychische Fähigkeit zu Belastbarkeit und innerer Stärke, um auf schwierige und frustrierende Situationen angemessen reagieren zu können und sie unbeschadet zu überstehen. Resilienz könnten wir vielleicht sogar als modernen Begriff für Tapferkeit verstehen. Allerdings mit dem Unterschied eben, dass bei der Tapferkeit das aktive Moment der Bewältigung stärker als nur das Aushalten von Belastungen unterstrichen wird.

  • Die Tapferkeit treibt uns also an, uns etwas zuzutrauen, über uns hinaus zu wachsen für unser Wohl, aber auch für das Wohl anderer?

Für mich hat Tapferkeit viel mit gesundem Selbstvertrauen und mit Grundvertrauen ins Leben zu tun. Ohne sie laufen wir Gefahr, lethargisch zu werden, uns in abgesicherte Räume zurückzuziehen und nur mehr „auf Sicht zu fahren“. Entwicklungen, die uns weiterbringen und uns helfen, Krisen zu bewältigen, brauchen hingegen Mut und Tapferkeit vieler Menschen, die sich mit dem Gegebenen nicht einfach zufriedengeben, sondern Lösungen suchen und auch Neues wagen. Wir brauchen Menschen, die den Mut haben, Missstände aufzuzeigen und Ungerechtigkeiten anzuklagen, und die mit Idealismus und Durchhaltevermögen „dran bleiben“ am Einsatz für eine gerechtere Welt.

  • Tapferkeit wird oft auch in einem Atemzug mit Mut genannt. Gehören die beiden zusammen?

Tapferkeit und Mut gehören zusammen und bedingen einander. Mut ist dabei der Erweis von Tapferkeit in einer konkreten Situation, das heißt die Fähigkeit und Bereitschaft, Hindernisse zu überwinden, mich Herausforderungen offen zu stellen. Mut ist vor allem dann gefragt, wenn das Ergebnis meines Handelns offen ist, sodass auch eine gewisse Risikobereitschaft gefragt ist. Eine Risikobereitschaft, die eine realistische Einschätzung einer Situation verlangt: sowohl ihrer Chancen, die ich nicht ungenutzt lassen sollte, als auch ihrer Gefahren, die ich nicht unterschätzen sollte. Ich muss also abwägen zwischen dem erhofften Erfolg und dem möglichen Scheitern, ohne mich von den Erfolgsaussichten blenden, noch mich von der Möglichkeit des Scheiterns lähmen zu lassen.

  • Und theologisch gesehen?

In theologischer Perspektive würde ich die Tapferkeit besonders mit der Hoffnung in Verbindung bringen. Hoffnung ist das Vertrauen in Gott, der im Letzten meine Geschicke in seinen Händen hält und nicht zulässt, dass ich zugrunde gehe. Daraus kann eine Kraft erwachsen, um schwierige Situationen, Hindernisse und Herausforderungen zu bestehen.

  • Manchmal taucht im Zusammenhang mit dem Begriff der Tapferkeit auch der Begriff Starkmut auf. Was meint dieser Begriff?

In der Tradition hat man Tapferkeit auch als Starkmut verstanden, sich für ein sittliches Gut einzusetzen und nicht aus Furcht zurückzuschrecken, selbst wenn ich dafür unter Umständen eigene Nachteile in Kauf nehmen muss.

  • Kann man es lernen oder üben, tapfer zu sein?

Eine Haltung wird nicht zuletzt deshalb zu einer Tugend, weil sie zwischen zwei Extremen liegt und auf keine Seite hin abdriftet. Bei der Tapferkeit sind diese Extreme Tollkühnheit und Feigheit bzw. naive Furchtlosigkeit und übertriebene Ängstlichkeit.

Wer zu Tollkühnheit neigt, muss lernen, Gefahren wahrzunehmen bzw. nicht zu verharmlosen; ebenso, eigene Grenzen zu akzeptieren. Wer hingegen feige ist, muss Vertrauen in sich gewinnen.

Tapferkeit ist das gesunde Maß zwischen „Ich kann alles“ und „Ich vermag nichts.“ Diesbezüglich können wir viele Erfahrungen sammeln und daraus lernen, uns sozusagen beständig einüben in die Tugend der Tapferkeit, indem wir über eigene Grenzen hinauswachsen, zugleich aber auch realistisch anerkennen, was wir nicht vermögen. Es gilt, hierfür ein Grundgespür zu entwickeln.

Serie: Eine Tür zum Leben

Autor:

Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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